Mit Klagen zu Aussagen

Tempodrom-Affäre: Die Opposition will die Aussage weiterer Zeugen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss per Verfassungsklage erzwingen. Die rot-rote Koalition lehnt dies ab

VON RICHARD ROTHER

Die Opposition will in der Affäre um das insolvente Kreuzberger Kulturhaus Tempodrom vor das Landesverfassungsgericht ziehen. Mit einer entsprechenden Klage soll die Befragung weiterer Zeugen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der millionenschweren Affäre erzwungen werden. CDU, Grüne und FDP nähmen es nicht hin, dass die Regierungsfraktionen SPD und PDS mit ihrer Mehrheit nicht alle relevanten Zeugen zu diesem Komplex hören wollen, sagte gestern der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus, Michael Braun (CDU).

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller verteidigte gestern als Zeuge im Ausschuss die Rettungsaktion für das Tempodrom im Oktober 2001. Als Mitglied des Stiftungsrates der Deutschen Klassenlotterie Berlin habe er im November 2001 wie die anderen fünf Mitglieder des Gremiums einer Finanzspritze aus Lottomitteln in Höhe von knapp 2 Millionen Euro für das Tempodrom zugestimmt, sagte Müller. „Es gab einen breiten Konsens in der Stadt, das Tempodrom fertig zu stellen und zu erhalten.“

2001 seien bereits etliche Millionen öffentliche Gelder in das Kulturhaus am Anhalter Bahnhof geflossen, und es habe eine Bürgschaft des Landes bestanden, so Müller. „Die Alternative wäre eine Bauruine gewesen.“ Auch die CDU-Mitglieder des Stiftungsrates hätten für die Bewilligung der Lottomittel gestimmt.

In die erste Rettungsaktion des rot-grünen Übergangssenats für das Tempodrom im Oktober 2001 in Höhe von 6,9 Millionen Euro waren auch Lottomittel und Zuschüsse der Investitionsbank (IBB) geflossen. Ohne diese Finanzspritze hätte der Neubau nicht beendet werden können.

Bereits im März hatten zwei Grünen-Politikerinnen vor dem Ausschuss ausgesagt, die als Vertreterinnen des rot-grünen Übergangssenats den Rettungsplan 2001 mit beschlossen hatten: die ehemalige Kultursenatorin Adrienne Goehler und ihre Staatssekretärin Alice Ströver. Ziel sei es gewesen, Schaden vom Land Berlin abzuwenden, argumentierten sie. Die Alternative wären eine Bauruine und die Insolvenz gewesen.

Ströver hatte hervorgehoben, nur unter großen Bedenken zugestimmt zu haben. Goehler sagte, sie habe das Thema nur „mit spitzen Fingern“ angefasst. Letztlich aber hätten die Grünen, auch als Konsequenz aus dem Bankenskandal, Probleme nicht verschieben, sondern lösen wollen. Es habe den Senatswillen gegeben, das von der großen Koalition angefangene Unternehmen „mit Anstand“ zu Ende zu bringen.

Der Antrag auf eine einstweilige Verfügung solle bald bei Gericht eingereicht werden, sagte Braun. Nach dem Berliner Untersuchungsausschussgesetz könnten nur Beweisanträge abgelehnt werden, die offensichtlich nichts mit dem Untersuchungsauftrag zu tun haben. Aus Sicht der Opposition gehörten aber zum Gesamtkomplex Tempodrom auch die Spenden-Essen, die die SPD im Wahlkampf 2001 veranstaltet hatte.

Die rot-rote Koalition lehnt die Vorladung aller Teilnehmer an den Essen ab. Die meisten von ihnen hätten nichts mit dem Thema Tempodrom zu tun, sagte PDS-Obmann Carl Wechselberg gestern. Damit sei die Befragung auch nicht vom Untersuchungsauftrag des Ausschusses gedeckt.