Schwedens Atomkraft ist illegal

Gericht: Betrieb verstößt wegen ungelöster Atommüllprobleme und ungeklärtem Sicherheitsrisiko gegen Umweltgesetz. Dass das Folgen haben wird, ist unwahrscheinlich

STOCKHOLM taz ■ Eine sensationelle Entscheidung verkündete der schwedische Umweltgerichtshof: Der Betrieb des AKW Ringhals verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen das Umweltgesetz. Gleichzeitig stoppte es eine von den AKW-Betreibern Vattenfall und Eon beantragte Produktionssteigerung von zwei der vier Reaktoren um 500 Megawatt. Hier waren Investitionen von 1,4 Milliarden Euro geplant.

Das Gericht ist der Meinung, dass der Weiterbetrieb des AKW eigentlich gestoppt werden müsse, da er gegen das im Umweltgesetz verankerte Vorsichtigkeitsprinzip verstoße, erklärte Richter Bengt Hellström. Speziell wird darauf abgestellt, dass Atomreaktoren Abfall produzierten, für den es keine Entsorgungsmöglichkeit gebe.

Auch in zwei weiteren Punkten hält das Gericht den AKW-Betrieb für ungesetzlich. Zum einen sei das Risiko eines Atomunfalls höher als im Umweltgesetz für vertretbar erklärt. Ringhals entspreche nicht den verschärften Sicherheitsvorschriften, die heute für AKW-Neubauten gelten. Wolle es die Produktion steigern, müsse es die für Neubauten geltenden Kriterien erfüllen. Zum anderen monierten die Richter, dass 60 Prozent der im Werk produzierten Abwärme im Meer landeten. Das sei eine unverantwortliche Verschwendung von Energie, Naturressourcen und Material, die zu erhöhter Tödlichkeit bei Meeresorganismen führe. Vertretbar sei dies allenfalls, wenn die Regierung das für zulässig erklärt. Dies sei aber nicht geschehen.

Man hätte den Betrieb von Ringhals gestoppt, so Richter Hellström, gebe es nicht eine Ausnahmeregelung in Form einer „Allgemeinwohl-Klausel“. Danach kann – wenn zwar ein Verstoß gegen das Umweltgesetz vorliegt, aber gegen Umweltinteressen „allgemeine Interessen von besonders hoher Gewichtigkeit“ stehen – die Entscheidung nicht von einem Gericht, sondern nur direkt von der Regierung getroffen werden.

„Wir sind sehr verwundert“, kommentierte Ringhals-Informationschef Torsten Bohl den Gerichtsentscheid: „Man hängt sich an drei Sachen auf, die für die Atomkraft ganz allgemein gelten und nicht nur für Ringhals.“ Umweltministerin Lena Sommestad sprach von einem „wichtigen Beschluss“, wollte sich aber nicht festlegen, wie die Regierung mit diesem umgehen werde. Alles andere als eine Ausnahmegenehmigung wäre aber eine Überraschung. Zu abhängig hat sich Schweden von Atomstrom gemacht: Ringhals produziert 20 Prozent des schwedischen Stroms. REINHARD WOLFF