: Einer, der aus Wut Avantgardist wurde
ÜBERVÄTER Cuno Amiet malte anfangs so wie sein 15 Jahre älterer Freund Ferdinand Hodler. Später distanziert er sich. Eine Hamburger Schau beleuchtet die ambivalente Künstlerfreundschaft
Cuno Amiet muss unglaublich wütend gewesen sein. Da hatte man den Schweizer, der um 1900 – durchaus zeitgemäß – symbolistisch malte, doch glatt des Epigonentums bezichtigt. Und das alles, weil er manche Motive und Figuren des 15 Jahre älteren Freundes und Landsmanns Ferdinand Hodler übernommen hatte. Und weil er von dessen klaren Linien und seiner Detailversessenheit fasziniert war.
Aber Amiet wollte nicht im Schatten stehen. Er fühlte sich verkannt; vielleicht hat er sich auch ein bisschen erschrocken, weil teilweise stimmte, was die Rezensenten 1904 über die Ausstellung der Wiener Secession schrieben. Jedenfalls brach er, und von dieser ambivalenten Beziehung handelt eine zweite Hodler-Schau im Hamburger Bucerius Kunst Forum, – vorerst – mit Hodler, mit dem er auch persönlich befreundet war.
Und Amiet begann den Weg in die Abstraktion: Er beschloss, sich der Farbe anstelle der Linie zu widmen und Strukturen zu zeigen, wo Hodler akribisch Linien malte. Mit Erfolg: 1905, als er seine starkfarbigen, flächigen „Gelben Mädchen“ im Dresdner Kunstsalon zeigte, war dies sein Durchbruch zur Avantgarde. Fortan orientierte er sich an Post-Impressionisten wie van Gogh und Gauguin. 1906 wurde er „Brücke“-Mitglied.
Kompositorisch ähneln seine „Gelben Mädchen“ Hodlers „Der Frühling“, aber das Konzept war anders. Denn Hodler war Symbolist mit theosophisch-durchgeistigten Ideen, und seine Figuren waren bloß Stellvertreter: Der nackte Jüngling war Personifikation des künstlerischen Genius und das Mädchen daneben verkörperte das Publikum.
Amiet war bodenständiger. Seine „Gelben Mädchen“ sind als Ode an die Farbe gedacht; die Kunst begann, ihre eigenen Mittel zu reflektieren. Ein deutlich modernerer Ansatz als bei Hodler. Als Fazit der Schau bleibt, dass Amiet die Schwelle zur Moderne überschritt, auf der Hodler unentschlossen verharrte.
Die Frage ist allerdings, ob dies ein faires kuratorisches Konzept ist: Zwei Künstler verschiedener Generationen zu vergleichen, wobei der ältere zwangsläufig als rückständig erscheint.
Und weil das so schlicht, so erwartbar ist, hat diese Schau keine so starke These wie ihr – gleichfalls komparatistisch arbeitendes – Pendant in der Kunsthalle. Dafür rückt sie den zu Unrecht vergessenen Cuno Amiet in den Fokus. Und das ist ja schon mal etwas. PS
Hamburg, Bucerius Kunst Forum, bis 1. Mai