Ausstellen statt wohnen

OFF-SPACE Eine Wohngemeinschaft lotet mit „Der vierte Raum“ und einem ambitionierten Programm zeitgenössischer Kunst die Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem aus

„Der vierte Raum“ befindet sich in der Bahnhofsvorstadt, am Rande des Viertels. Die nächsten Ausstellungseröffnungen sind wie folgt geplant:

■ 23. Februar: Carla Filipe, „Um olhar periférico sobre uma cultura“ & Z. Schmidt, „Beziehen“.

■ 16. März: Matthias Ruthenberg, o. T. & Rosemarie Trockel, „Blick von der anderen Seite (Sprengung)“.

■ 30. März: Norman Neumann & Sebastian Reuschel, „Im Dialog“.

■ Mehr Informationen im Netz: www.dervierteraum.org.

VON JAN ZIER

Am Anfang war es im Grunde eine „Spinnerei“, sagen Yvonne Bialek und Sebastian Reuschel. Drei Leute, alle irgendwie im Umfeld zeitgenössischer Kunst unterwegs, suchen für ihre Wohngemeinschaft eineN neueN MitbewohnerIn. Kunstaffin soll er sein, oder sie, irgendwie passen muss es, weil: Es ist ja keine Zweck-WG, aber dann ist das Zimmer ja auch nur für ein paar Monate frei. Kurzum: Sie finden so richtig niemand, die Leute, die kamen – sie waren irgendwie nett, aber mehr eben auch nicht. Und irgendwie war da immer wieder diese Idee. Also spinnen die drei am Ende daraus zeitgenössische Kunst, also ein Projekt dafür: „Der vierte Raum“.

Gut 16 Quadratmeter ist er groß, in der Bahnhofsvorstadt gelegen, am Rande des Viertels. Die genaue Adresse ihrer Wohnung wollen Yvonne Bialek, Sebastian Reuschel und Adel Alameddine nicht so gerne in der Zeitung lesen, auf der Website ihres Projekts steht sie aber. Um schließlich in den vierten Raum zu gelangen, muss man dann noch einen langen, weiß gekachelten Flur durchqueren, an allen anderen WG-Zimmern vorbei – das haben sich die drei extra so ausgedacht. Auf den ersten Blick könnte es einer jener meist etwas sterilen „White Cubes“ sein, in denen Kunst oft stattfindet, doch dann ist da diese weiße Raufasertapete. Und der Balkon, am Ende des handtuchförmigen Zimmers.

Er ist vor allem eines, der „vierte Raum“ – irgendwie dazwischen, nicht so ganz allgemein zugänglich, aber eben auch nicht mehr völlig privat. „Es ist kein öffentlicher Raum, sondern wird für die Zeit des Projekts zu einem solchen erklärt“, sagt Bialek, im sonstigen Leben kuratorische Assistentin in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK). Und er lebt von der Zurückhaltung, die man gemeinhin in anderer Leute Privatgemächern pflegt.

Das spricht – außer den Freunden des Hauses – zunächst vor allem die einschlägig kunstaffine Szene an. Behält immer ein bisschen den Charakter von WG-Party. Und schreckt doch „Party-Crasher“ ab, wie Reuschel sie nennt. Der Student der Hochschule für Bildende Künste betreibt nebenher das kleine, eher unkommerzielle Plattenlabel ZCKR, spezialisiert auf elektronische Musik. Deswegen gibt es jeden Mittwoch im vierten Raum „Time and Place“, einen Abend für ebenjene Musiksparte, auf der im Grunde jeder Einschlägiges – aber nur Vinyl! – auflegen darf. Das Ganze soll aber gerade keine Party sein. Sondern eher ein Forum, das via Livestream auch ins Netz übertragen wird. Auch Alameddine legt dort auf – der gelernte Landschaftsgärtner beschäftigt sich mittlerweile sehr viel mit elektronischer Musik. Und bringt demnächst seine eigene Platte raus.

Ansonsten gibt es bis Juni alle zwei Wochen neue Ausstellungen. Ein ambitioniertes Programm also, und alle KünstlerInnen, die hier zu sehen sind, haben auch schon mal anderswo ausgestellt. Trotzdem sind viele von ihnen „noch am ausprobieren“, sagt Janneke de Vries, die Direktorin der GAK, sind „noch nicht weit genug“, um etwa dort ausgestellt zu werden. Andere aber sind schon, wie soll man sagen: zu weit. Rosemarie Trockel etwa, Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf, eine Künstlerin, die schon 1997 auf der Documenta für Furore sorgte. „Die gehört eher ins Guggenheim-Museum als in die GAK“, sagt de Vries. Sie selbst hat einst ein ähnliches Projekt gemacht, 2006 in Hamburg, in ihren Esszimmer. Heute sagt de Vries: „Ohne dieses Projekt wäre ich nie Kuratorin geworden.“

Zuletzt zeigte „Der vierte Raum“ Imke Bullerkists dreiteilige Malerei-Serie „Transwaggon“ und Kornelia Hoffmanns Arbeit „no place like home“. Die war einst für ein ähnliches Projekt gemacht, „Raumkante“ genannt, das 2010 in einem unbewohnten Altbremer Haus in der Neuenlander Straße stattfand. Es stellt sich die Frage: „Was wird aus dem Raum, den wir Heimat nennen, wenn wir weiterziehen?“ Ihre Antwort: Eine mathematische Gleichung, die sich am Ende ins Gegenteil verkehrt. Aus „there is no place like home“ wird „therefore home does not exist“. Doch heute wird schon wieder eine neue Doppel-Ausstellung eröffnet (siehe Kasten).

Im Sommer, wenn die derzeit in den USA weilende Mitbewohnerin zurückkehrt, wird aus dem vierten Raum wieder ein schnödes WG-Zimmer. Zwar gebe es, wie de Vries sagt, „wenig hochqualitative Off-Spaces“ für zeitgenössische Kunst in Bremen. Aber eben auch kaum Geld dafür. „Wir leisten uns das so nebenbei“, sagt auch Bialek. Und zahlen dafür im Zweifelsfall eben mehr Miete.