: Im Visier des Verdianers
Gewerkschafts-Landeschef Denia ruft zum Boykott von Heuschrecken-Firmen auf. Und nennt auch Namen wie die Deutsche Bank, Lidl oder Conti: „Sollen die ihre Reifen doch in Malaysia verkaufen“
Einen „Weckruf“ hatte Kurt Döhmel, der Chef der Deutschen Shell Holding, die Protest- und Boykott-Welle rund um die geplante Versenkung der Ölplattform Brent Spar genannt. Genau zehn Jahre ist das jetzt her. Die Brent Spar ist heute immerhin Teil einer Kaimauer in Norwegen, Shell betreibe inzwischen eine „Politik der Nachhaltigkeit“, betonte Döhmel in der Zeit.
Wie lange wohl das Getöse über Heuschrecken und vaterlandslose Gesellen noch währt? Und: Kann man daraus Profit ziehen? Das mag sich derzeit auch Wolfgang Denia fragen. Der Verdi-Landeschef von Niedersachsen und Bremen hat pünktlich am 1. Mai zum Boykott von Raffke-Firmen aufgerufen.
Sieben Millionen Gewerkschaftsmitglieder hätten zusammen mit ihren Familien ein „großes Käuferpotential“, sagte Denia. Sie hätten es „mit ihrem Konsumverhalten in der Hand, sich für Produkte von Unternehmen zu entscheiden, die Menschen trotz hoher Gewinne nicht entlassen, die kein Sozialdumping betreiben und sich für den Umweltschutz einsetzen“, rief der Verdi-Mann in eine 150 Menschen kleine Maifeiermenge im niedersächsischen Dörfchen Barnstorf bei Diepholz.
Dem Gewerkschafts-Linksaußen fielen auch Namen ein, natürlich der der Deutschen Bank. Gewerkschaftler sollten „die Geschäftsbeziehungen mit der Bank überprüfen“, sagte Denia Auch im Visier des Verdianers: Billig-Discounter, die „die Wahl von Betriebsräten oder Jugendvertretungen verhindern“. Anfang des Jahres hatte Verdi mit seinem „Lidl-Schwarzbuch“ Furore gemacht, das die Behandlung der Lidl-Angestellten anprangert.
Oder der Automobilzulieferer Continental. „Warum sollen wir zulassen, dass Unternehmen zur Befriedigung der grenzenlosen Gier von Managern und Aktionären mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen drohen, um von ihren Belegschaften die 42-Stunden-Woche zu erpressen?“, fragte Denia. Genau das versucht derzeit Conti-Chef Manfred Wennemer durchzusetzen. Sonst werde die Profile-Fertigung in Hannover abgestoßen, etwa 300 Jobs sind gefährdet. „Dann soll Conti seine Reifen doch in Malaysia verkaufen“, meint Denia ungerührt, spricht von „einem Akt der Gegenwehr“ und fragt, was man „denen“ denn sonst noch entgegensetzen könne.
Immerhin steht er mit seiner Forderung, die SPD-Vizin Ute Vogt in der vergangenen Woche vorsichtig angedeutet und dann doch nicht konkretisiert hatte, gar nicht so allein. Laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins sind nur 56 Prozent der Deutschen gegen einen Boykott von Heuschrecken-Firmen, immerhin 51 Prozent der SPD-Wähler dafür.
Seine Forderungen seien „weniger populistisch als der Ansatz von Sigmar Gabriel und Franz Müntefering“, betont Denia. Natürlich hatte sich auch Niedersachsens SPD-Fraktionschef hinter Münte positioniert. Die Genossen kämpfen für die SPD in NRW, Denia gegen schwindende Mitgliederzahlen. Die Zahl der Verdianer ist im vergangenen Jahr allein in Niedersachsen um gut drei Prozent auf rund 300.000 gesunken.
Immerhin: Der Gewerkschafter, laut FDP-Westerwelle selbst zur „Plage“ fürs Land geworden, kann das Ganze auch ins Positive wenden. Gleichzeitig plädiert Denia nämlich für ein „soziales Gütesiegel“ für Firmen, die ihre Mitarbeiter ordentlich behandeln und Jobs nicht schwarmmäßig ins Ausland verlagern. Erste Aspiranten: Porsche, VW oder Rossmann. Kai Schöneberg