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Archiv-Artikel

Mit Reduktion zur Sinnlichkeit

PFALZ I In Deidesheim werden seit Jahren und Jahrzehnten große Weine gekeltert. Doch auch im Weingut Siener sind die Rieslinge und ebenso die Burgunder etwas Besonderes

Die Mineralik macht Lust auf den nächsten Schluck: trocken, geradlinig, fast abstrakt

VON MALTE OBERSCHELP

Es kann einem schwindlig werden, so steil geht es den Weinberg hinauf. Am Steuer des Jeeps sitzt Peter Siener, er kennt hier jeden Stein. Ab und zu hält der Winzer an und deutet auf den Boden. Die Natur hat den Hang so emporgestülpt, dass auf der Oberfläche verschiedene Gesteinsschichten hervortreten. Als wäre eine riesige Steintorte diagonal aufgeschnitten worden, sind Buntsandstein, Rotliegendes und Schiefer übereinandergeschichtet.

Der Kastanienbusch ist die wichtigste Lage des Birkweiler Weinguts Siener, und seine geologische Beschaffenheit ist einer der Gründe für die Vielfalt an Sorten, die der Pfälzer Betrieb produziert. Neben einem halben Dutzend Rieslinge gibt es Weiß- und Grauburgunder, Silvaner und einen Blanc de Noir – einen weiß ausgebauten Spätburgunder. Dazu an Rotweinen drei Spätburgunder, die in der Pfalz häufig angebaute österreichische Sorte St. Laurent sowie eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und St. Laurent.

„In der Südpfalz gibt es meist mehr Sortenvielfalt, während die Mittelhaardt traditionell für ihre Rieslinge berühmt ist“, sagt Siener. Dort, in Deidesheim und Forst, werden seit Jahren und Jahrzehnten große Weine gekeltert. Doch auch im Weingut Siener, gelegen an der südlichen Weinstraße, sind die Rieslinge – und ebenso die Burgunder – etwas Besonderes.

„Man muss Lust auf den nächsten Schluck haben“, ist so etwas wie das Credo des Winzers. Marmeladige Rotweine mag er ebenso wenig wie üppige Pfirsichbouquets bei Rieslingen. Siener ist das Terroir wichtig, der Boden und wie er sich im Wein ausdrückt. Anders gesagt: Die Mineralik eines Weines zählt mehr als seine Fruchtigkeit. Das ergibt durchweg trockene, geradlinige, fast abstrakte Weine – ohne dass dabei die Sinnlichkeit zu kurz kommt.

Zum Beispiel bei den drei Gutsrieslingen des Jahrgangs 2010. Hier steht das Terroir gleich mit auf dem Etikett und schlägt sich ganz unterschiedlich im Wein nieder: mineralisch beim Riesling Kalkmergel, mit schönem Süß-Säure-Spiel beim Riesling Buntsandstein, ein wenig fruchtiger beim blassgoldenen Riesling vom Rotliegenden. Das Terroir wird in der Gegend seit einigen Jahren häufig in den Namen des Weins integriert, etwa bei dem wohl besten Gut der Südpfalz, Ökonomierat Rebholz aus Siebeldingen. Das hat mit den abwechslungsreichen Bodenverhältnissen zu tun und mit der Philosophie des Winzers.

Zu Sieners Gutsweinen gehören weiter der harmonische 2011er Weißburgunder, der zu 4 Prozent im Barriquefass ausgebaute Grauburgunder (der Jahrgang 2010 ist ausverkauft), und der Blanc de Noir, ein toller Wein zum Essen. Der kleinste Spätburgunder des Guts, der Spätburgunder No. 1, Jahrgang 2009, verzichtet angenehm auf übermäßige Holz- und Vanillenoten, er reift zur Hälfte im Stahltank und in gebrauchten Barriques. Wie meistens in der Pfalz ist das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr gut. Für 6,80 bis 8,90 Euro ab Weingut ist diese Qualität etwa in Südbaden oder an der Mosel schwerlich zu finden.

Die Geschichte des Weinguts Siener gleicht der vieler deutscher Betriebe, wie sie in den vergangenen 15 Jahren bekannt geworden ist. Der Vater hat ein kleines Gut, sein Sohn will den Betrieb zunächst gar nicht übernehmen. Als er es 2000 doch tut, setzt er konsequent auf Qualität. Was manchmal wie ein Kulturschock wirkt: Als Peter Siener Trauben wegschneidet, um die Ertragsmenge pro Hektar zu reduzieren, versteht sein Vater die Welt nicht mehr.

Heute bewirtschaftet die Familie 12 Hektar, von drei weiteren wird zugeliefert. Alle Weine sind spontan vergoren. Zwei der höherwertigen Lagenweine stammen dabei nicht aus dem Kastanienbusch: der Riesling Leinsweiler Sonnenberg (14,50 Euro) und der Weißburgunder Birkweiler Mandelberg (15,50 Euro). Beide Lagen sind durch Kalkgestein geprägt, weshalb die Weine eine dichte Mineralik aufweisen. Besonders der teils im Barrique ausgebaute Weißburgunder ist ein großartig komplexer Wein. Der Schiefer-Riesling aus dem Kastanienbusch dagegen ist auf fast schon stählerne Art erdig geraten. Der Unterschied zu den saftigen und fruchtbetonten Rieslingen aus der Mittelhaardt ist hier am offensichtlichsten.

Bleiben noch zwei exzellente Rotweine des Jahrgangs 2009: der Birkweiler Spätburgunder für 17,50 Euro und der (im Preis allerdings stark gestiegene) Spätburgunder Birkweiler Kastanienbusch für 32 Euro.

www.weingutsiener.de