YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN : Hoffnung auf den Papst
Kreativität und Humor in Havanna: Schafft Ratzinger bei seinem Kuba-Besuch, was Wojtyla 1998 gelang?
Januar 1998 war ein Moment der Entdeckungen und der Kreativität, der Spontanität und der lauten Gebete. Johannes Paul II. besuchte Kuba und zelebrierte eine Messe, in deren Verlauf er mehr als ein Dutzend Mal das Wort Freiheit gebrauchte. Über den Gottesdienst und die Liturgie hinaus zeigte sich auch auf der Straße das Leben am Siedepunkt. Unglaublich viele Witze entstanden über den Papst selbst und den damaligen Präsidenten Fidel Castro.
Heute, wenige Wochen bevor Joseph Ratzinger auf der Insel landen wird, fehlen solche Witze. Die Frage ist, ob dieser Mangel den fehlenden Erwartungen an den Besuch geschuldet ist. Oder ob es ein Ausdruck der Frustration ist, die da lautet: Alles wird bleiben, wie es ist, niemand wird erreichen, dass sich Dinge verändern.
Ende der neunziger Jahre ließ Karol Wojtyla die Hoffnung in uns aufkeimen. 2012 erstickt die Überdosis eines nationalen Zynismus jeden Enthusiasmus. Wir wissen zum Beispiel schon, dass der Satz „Kuba wird sich der Welt öffnen und die Welt wird sich Kuba öffnen“ lediglich die Wunschvorstellung eines polnischen Papstes blieb.
Johannes Paul II. sagte, der Mensch sei der Weg der Kirche und die Verteidigung der Menschenrechte ihr Dreh- und Angelpunkt. Im Fall Kubas müssen die Gotteshäuser und Kirchenseminare einen mutigeren Weg einschlagen. Die Verhandlungen zwischen der kubanischen Regierung und Kardinal Jaime Ortega über die Freilassung politischer Gefangener hat nicht zu einem besseren Standing der Kirche auf der Insel geführt. Vielmehr hat die Kritik an der Kirche zugenommen, selbst bei den Angehörigen der Befreiten. Teilweise, weil an dem Verhandlungstisch die Stimmen der Damas de Blanco fehlten, die seit sieben Jahren auf der Straße für die Sache ihrer im März 2003 verhafteten Ehemänner gekämpft hatten. Die kubanische Regierung suchte sich den am wenigsten unbequemen Gesprächspartner aus, um die Häftlinge zu übergeben, und hebelte damit die Rolle jener aus, die unter vielen Bedrohungen erreicht hatten, dass es überhaupt so weit kam.
Der Papst wird in ein Land kommen, in dem inzwischen niemand mehr seinen Job verliert, weil er das Vaterunser betet, und in der das staatliche Fernsehen gelegentlich Messen überträgt. Ein Land mit wenigen Jugendlichen – sei es, weil sie emigriert sind, sei es wegen der niedrigen Geburtenraten. Er kommt in einem Moment der wirtschaftlichen Flexibilisierung und der Radikalisierung des politischen Diskurses. Sein Besuch ist zweifellos nicht mit den gleichen Hoffnungen aufgeladen wie der von Johannes Paul II. Aber wer weiß. Vielleicht haben sich unsere Witzemacher nur die Überraschungen nicht vorstellen können, die Joseph Ratzinger uns bringen wird. Ich träume davon, dass er auf dem Platz der Revolution fordert, dass Kuba sich endlich Kuba öffnet.
Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa