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Archiv-Artikel

Plingelplangel und töfte Texte

Männer lieben Hüpfbälle und Farbkleckse rennen um die Wette: Funny van Dannen ist wieder da – mit einem neuen Album und neuen Bildern

Am besten stellt man sich vor, man kenne Funny van Dannen noch nicht. Und höre ihn das erste Mal. Wundere sich das erste Mal über diese Mischung aus Bänkelgesang, Jonathan Richman und Sarkasmus, kichere das erste Mal über die harmlos anfangenden Texte, summe das erste Mal die Kindermelodien mit, die Funny vorsingt, und die er mit geradezu schamlosen Liedermacherakkorden begleitet: „Glaub mir ich hab das nicht so gemeint / als ich dich Hobbynutte nannte / und glaub mir ich habe später geweint / weil ich mich so noch gar nicht kannte / aber ich finde ich kann von dir / gewisse Dinge verlangen / zum Beispiel nichts mit meinen / besten Freunden anzufangen.“ „Hobbynutte“ heißt das Stück, es ist das achte von 23 neuen Liedern, denn Funny hat schon wieder eine CD herausgebracht: „Nebelmaschine“, sein achtes Werk.

Man kennt ihn also. Irgendwo steht immer eine Funny-CD herum, bei irgendwem zu Hause, übrigens bei Männern und Frauen gleichermaßen, denn Funny lieben alle. Mitten in einem DJ-Set auf einer kühlen Theaterpremierenparty kann plötzlich ein altes Funny-Lied auftauchen, „Lobdefizit“ zum Beispiel oder „Korkenzieherlocken“ oder „Po-Sex“, und dann singen alle mit und lächeln und schütteln den Kopf. Funny hat immer Musik gemacht, hat immer geschrieben und gemalt, in den letzten Jahren hat seine Popularität aber plötzlich zugenommen. Nicht, dass er irgendetwas an seinem Konzept geändert hätte: Das muss er nicht, Funny van Dannen funktioniert bestens so, wie er ist, als Konglomerat aus dunklem Humor, Bauernschläue und Gewissen. Aber vielleicht stimmt auch die These, dass die Menschen sich in schlechten Zeiten den moralischen Dingen zuwenden, sozusagen als Ausgleich für die Schwärze ihrer Welt. Und moralisch war Funny schon immer, meist glücklicherweise auf eine Art, die zu ertragen ist: humorvoll und hinterfotzig gleichzeitig. Wahrscheinlich sind Funny-van-Dannen-Konzerte darum momentan Wochen vorher ausverkauft. Und der Mann, Familienvater, Fußballfan und Künstler muss zusehen, dass er weiterhin freundlich und witzig bleiben kann, denn der Ruhm hat schon aus ganz anderen Menschen Arschgesichter geformt.

Auf der neuen Platte singt Funny wieder von der Welt in ihren vielen komischen Formen: von jemandem, der in einen Hüpfball verliebt war und darin nichts Schlechtes finden kann, vom bärtigen Delphin – das moderne Leben in vier Akkorden, meistens sogar den gleichen. Er hat wieder aus komischen Worten Refrains gemacht: „Humankapital“ oder „Infrastruktur“, und das erinnert an anarchistische Volksmusik wie FSK, auch wenn einem innerlich ab und an ein freundliches Gähnen entschlüpft. Dazu gibt es aber auch ein paar Songs, die sich so weit aufs Liedermacherglatteis begeben, dass sie darauf ausrutschen: „Mein Volk“, bei dem man quasi hört, wie Reinhard Meys Geist mitnölt, und das ist etwas gruselig. (Bei 23 Stücken kann man die zu sauberen, die zu eindeutigen glücklicherweise schnell mit der CD-Vorlauftaste vom Tisch wischen.)

Funnys Bilder ähneln seinen Liedern: Sie tun naiv und sind in Wirklichkeit weise. In der Kreuzberger Endart-Galerie hängt unter dem Titel „Schon Wieder Frühling“ noch bis zum 8. Mai eine mittelgroße Werkschau aus dem großen Funny-van-Dannen-Gesamtwerk, neue und alte bunte Bilder, die manchmal aussehen, als ob Funnys Söhne sie gemalt hätten, jedenfalls wenn es extrem altkluge und künstlerisch begabte Söhne wären. Auf einem sind zwei Vögel, die auf einem alten verbogenen Fußballtor balancieren und unförmige Fußbälle auf dem Kopf tragen, darunter steht „Zwei tolle Vögel balancieren auf einem alten verbogenen Fußballtor zwei unförmige Fußbälle oder Weicheier“. Beim „Farbenrennen“ laufen verschiedenfarbige Farbkleckse die Leinwand herunter, und es sieht aus, als würde Gelb gewinnen. Aus dem wunderschönen „Geile Band mit selbstgebautem Soundfetisch“ oder dem „Verletzten Popstar“ (grüne Mähne, schwarze Brille, türkise Strumpfhose, Arm im Gips) müsste man sofort Ankündigungsposter machen, für die sympathischsten Bands, die man sich vorstellen kann. Funnys Bilder sind, obwohl sein Stil sich ebenfalls seit Jahren nicht sehr geändert hat, noch frischer und amüsanter als die Musik, deren Wiederholungscharakter bei zu häufigem Anhören ins Belanglose kippen kann – Plingelplangel-Liedermacherakkorde sind eben Plingelplangel- Liedermacherakkorde, sie klingen auch mit töften Texten oder mit reizender Pfeif-, Orgel- und Bläserbegleitung nicht anders.

Trotzdem. Würde man Funny noch nicht kennen – man wäre sofort verliebt und hätte Tränen in den Augen. So weit weg vom Deutschmusikmainstream und gleichzeitig so nah am Zuhörer ist sonst niemand. JENNI ZYLKA

„Nebelmaschine“ (Trikont/Indigo); „Schon Wieder Frühling“, Endart, bis 8. 5., Mo–Sa 14–20 Uhr, Oranienstr. 36