: Späte Entschuldigung
Dänemarks Premier bedauert Deportation geflüchteter deutscher Juden in ihre Heimat während der Besatzung
STOCKHOLM taz ■ Anlässlich des Gedenkens an den 60. Jahrestag der Befreiung hat sich Dänemarks Regierung offiziell für die Abschiebung von ins Land geflüchteten Juden nach Deutschland und in dortige Konzentrationslager entschuldigt. Premier Anders Fogh Rasmussen sprach von „beschämenden Vorgängen“, die zu den „Schattenseiten der Besatzungszeit“ gehörten. Auch „andere unschuldige Menschen, die durch aktives Mitwirken der dänischen Administration einem ungewissen Schicksal in den Händen der Nazis“ überlassen worden seien, schloss Rasmussen in sein Bedauern ein.
Rasmussens Rede brachte eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber der bisherigen offiziellen Bewertung der „Zusammenarbeitspolitik“ mit der deutschen Besatzungsmacht. Kampflos hatten die deutschen Truppen Dänemark besetzen können, und die Besatzungsmacht konnte reibungslos mit der dänischen Verwaltung und Regierung zusammenarbeiten. Dies war in der Nachkriegszeit und später jahrzehntelang als vernünftig bewertet worden – es habe keine Alternative gegeben.
In den letzten Jahren mehrten sich aber die historischen Studien, die das Bild der gezwungenen Zusammenarbeit revidierten. Es gab Firmen, die eine solche verweigerten. Folgenlos. Die meisten setzten vorhandene Handelsbeziehungen fort und vertieften sie. Dänische Fabriken lieferten der Wehrmacht Waffen und Munition. Dänische Firmen in Deutschland beschäftigten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Der dänische Landwirtschaftsexport spielte eine Schlüsselrolle bei der Versorgung Deutschlands. 25 Prozent des Schweinefleischs für die deutsche Zivilbevölkerung und die Wehrmacht kamen von dänischen Bauernhöfen.
Es war auch kein Zwang, der tausende Dänen veranlasste, sich zum Dienst in der Waffen-SS zu melden. Kirsten Lylloff, Autorin eines Buchs über die Behandlung deutscher Flüchtlingskinder nach dem Krieg in Dänemark: „Wir waren nicht anders als alle anderen – leider.“
REINHARD WOLFF