: Kompromiss mit Knackpunkten
INKLUSION Beim gemeinsamen Unterricht für behinderte und nicht-behinderte Kinder haben sich CDU, FDP und SPD auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt. Die restliche Opposition sieht den kritisch
Der Anspruch auf gemeinsamen Unterricht für behinderte und nicht-behinderte Kinder an Regelschulen ist in Niedersachsen so gut wie rechtsfest: Am gestrigen Freitag hat der Kultusausschuss des Landtags einen entsprechenden Gesetzentwurf von CDU, FDP und SPD abschließend beraten, noch im März wird er voraussichtlich verabschiedet.
Zäh war das Ringen um die inklusive Schule in Niedersachsen. Schon 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, die das Recht Behinderter auf Unterricht an allgemeinbildenden Schulen vorsieht. Die schwarz-gelbe Landesregierung aber tut sich schwer mit der Umsetzung: Mehrfach haben CDU und FDP ihren angekündigten Entwurf zur nötigen Schulgesetzesnovelle verschoben, im November legten sie ihn vor. Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) verlegte den ursprünglich für Sommer 2012 geplanten Start um ein Jahr.
Der Termin sieht auch den Kompromiss vor, auf den sich Schwarz-Gelb jetzt mit der SPD geeinigt hat: Verbindliche Einführung in allen ersten Klassen ab 2013/2014, freiwillig können Schulen mit der Inklusion in diesem Sommer beginnen. 45 Millionen Euro Mehrkosten sind für die Umsetzung der Inklusion bis 2018 einkalkuliert, fast 1.000 zusätzliche Lehrerstellen.
Grüne und Linke lehnen den Entwurf im Gegensatz zur SPD – der größten Oppositionsfraktion – ab: Zu inkonsequent finden sie die Pläne. Die Grünen-Bildungspolitikerin Ina Korter etwa hat „grundlegende Bedenken beim Elternwillen“: Nach dem Gesetzentwurf können behinderte Schüler nach wie vor zwangsweise an Förderschulen überwiesen werden, wenn das Wohl des behinderten Kindes oder das von Mitschülern gefährdet ist – ob die Eltern zustimmen oder nicht.
Kritik gibt es zudem am „Festhalten an einer parallelen Förderschulwelt“, wie es die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christa Reichwaldt, nennt. Denn aufgelöst werden sollen nur die Förderschulen für Lernen. Für Kinder mit Sprach- oder Verhaltensauffälligkeiten soll es weiter Sonderschulen geben. „Das widerspricht dem Grundgedanken der Inklusion“, sagt Reichwaldt. Auch Niedersachsens Landesbehindertenbeauftragter Karl Finke lehnt die Doppelstrukturen ab.
Die gemeinsame Initiative von CDU, FDP und SPD hält er als „überparteiliche Willensbekundung zur Inklusion“ dennoch für einen „Durchbruch“. Gleichwohl mahnt Finke an, Inklusion nicht nur auf Bildung zu reduzieren. Die UN-Behindertenrechtskonvention beziehe sich auf alle Lebensbereiche – vom Arbeiten, Wohnen, der Mobilität bis hin zum Sport. TERESA HAVLICEK