700.000 Migranten wollen legal werden

In Spanien ist die Frist zur Legalisierung illegaler Arbeitskräfte abgelaufen. Wie viele der Anträge positiv beschieden werden, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Die Schätzungen über die Zahl der restlichen Papierlosen gehen weit auseinander

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens Arbeits- und Sozialminister Jesús Caldera ist in Feierstimmung. Seine Legalisierung illegal im Lande lebender Ausländer sei „ein Erfolg aller Spanier“. Am Samstag zum Abschluss der dreimonatigen Kampagne besuchte der sozialistische Politiker eines der 193 Büros der Sozialversicherung, wo die Anträge auf eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung eingereicht werden mussten.

Wer dem Schattendasein entrinnen will, braucht einen Arbeitgeber. Dieser musste einen Arbeitsvertrag, den Pass des Immigranten, dessen polizeiliches Führungszeugnis sowie eine Bestätigung des Einwohnermeldeamts vorlegen, aus der hervorgeht, dass er bereits vor August 2004 in Spanien lebte. Über 700.000 Dossiers gingen bei den Behörden ein.

„Wir schaffen damit Legalität, wo Illegalität herrschte, Ordnung, wo Unordnung war, und Rechte statt Marginalisierung“, erklärt Caldera. Für die kommenden Monate hat er verstärkt Inspektionen angekündigt, um diejenigen hart zu bestrafen, die weiter Illegale beschäftigen, anstatt das Arbeitsverhältnis legalisiert zu haben.

Es war der größte Legalisierungsprozess in der Geschichte Spaniens. Dieses Mal gingen mehr Anträge ein als bei den vorhergehenden sieben Legalisierungen zusammen. 25 Prozent aller Anträge wurden in der Region Madrid gestellt, gefolgt von Katalonien mit 20 Prozent und Valencia mit über 15 Prozent. Die meisten ausländischen Schwarzarbeiter kamen aus dem Gaststättengewerbe, der Bau- und Landwirtschaft sowie aus dem Bereich der Haushaltshilfen. 57 Prozent derer, die auf Papiere hoffen dürfen, sind Männer, 43 Prozent Frauen. Die größte Gruppe der Immigranten kommt aus Ecuador, gefolgt von Rumänen und Marokkanern.

Bis vor einem Monat ging der Prozess nur schleppend voran. Denn viele Immigranten konnten ein Dokument nicht beibringen: den Auszug aus dem Melderegister. So mancher Illegale hatte sich aus Angst vor den Behörden dort nicht eingeschrieben. So konnte er nicht nachweisen, dass er bereits vor dem August 2004 ins Land gekommen ist. Caldera änderte deshalb die Kriterien der Legalisierung. Wer mit gleich welchem offiziellem Dokument nachweisen konnte, dass er seit der festgelegten Frist im Lande weilt, wurde im Nachhinein beim Einwohnermeldeamt eingeschrieben.

So mancher erbrachte den Beweis mit einem alten Abschiebebescheid, dem er sich entzogen hatte. Das Chaos, das durch die neue Bestimmung mitten im laufenden Verfahren hervorgerufen wurde, ist einer der wichtigsten Kritikpunkte der Immigrantenorganisationen.

Ob alle 700.000 Anträge positiv beschieden werden, muss sich noch zeigen. Denn die Aufenthaltsgenehmigung gibt es erst, wenn der Immigrant erfolgreich bei der Sozialversicherung eingeschrieben wurde. Bisher haben diese Hürde nur zehn Prozent genommen. Die Arbeitgeber werden genau unter die Lupe genommen, um Betrug auszuschließen. Eine endgültige Bilanz kann frühestens in zwei Monaten gezogen werden.

Wie viele Immigranten die Hürde der Legalisierung nicht genommen haben, darüber gehen die Schätzungen weit auseinander. Laut Caldera leben jetzt nur noch 100.000 „sin papeles“ – Papierlose – in Spanien. Verschiedene Experten widersprechen der Regierung. Sie gehen von bis zu 500.000 Illegalen aus. Und einige NGOs sowie die konservative Opposition rechnen gar mit einer Million. In mehreren Städten kam es gestern erneut zu Protesten derer, die sich nicht legalisieren konnten. „Legalisierung ohne Bedingungen!“ heißt ihr Motto.

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