piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Kommentar! Retro-Unschick

Von KK

In die Zukunft schauen mit zwei 80-Jährigen: Bei Sabine Christiansen durften Marcel Reich-Ranicki und Richard von Weizsäcker noch mal ein öffentliches Bad in ihren privaten Erinnerungen nehmen

Auch die Redaktion von Sabine Christiansen dürfte vor dem Problem gestanden haben, dass die Mehrheit der Deutschen zwar nicht Opfer einer Bombardierung durch die Engländer, durchaus aber einer Bombardierung durch Gedächtnis-, Gedenk- und Erinnerungsserien geworden sind. Und das schon vor Sonntagabend, vor dem Auftritt von Fernsehmoderatorin Christiansen also, die so sehr darunter leidet, dass sie immer nur im Zusammenhang mit Udo Walz und Hundesalons Schlagzeilen macht und gar nicht als politische Trendsetterin.

Vorgestern Abend also stand sie vor der Herausforderung, trotz Übersättigung eine interessante Talkrunde auf die Stühle zu bekommen. Und das ist ihr gründlichst misslungen. Gewiss steht außer Frage, dass aus Gründen einer minimalen Appetitlichkeit nicht die beiden Extrem-Meinungen zu Wort kommen durften – ein Duell zwischen Marcel Reich-Ranicki und NPD-Chef Udo Voigt etwa. Die Lösung aber, MRR mit Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker und dem britischen Ex-Europaminister Denis MacShane diskutieren zu lassen, brachte ein schier unerträgliches Ergebnis.

Nebendarsteller Shane beschränkte sich, sofern er überhaupt zu Wort kam, auf einen Lobgesang auf die demokratischen und europäischen Deutschen. Die Hauptrollen dagegen, MRR und RvW, beide jenseits der 80, führten genau das vor, was am Sonntagabend keiner mehr sehen wollte: ein Bad in der jeweils eigenen Erinnerung, ein absolutes Retro-Stück zweier alter Herren. Die eigentlich interessante Frage „Ist Deutschland 60 Jahre nach Kriegsende ein ‚normales‘ Land?“ blieb leider unbeantwortet.

Wie viel spannender hätte die Diskussion sein können, wenn Christiansen auf ihren Super-Promi-Anspruch verzichtet und stattdessen junge Leute eingelanden hätte. Jemanden aus der „Halts Maul, Deutschland“- Fraktion zum Beispiel und als Kontrapart Modedesignerin Eva Gronbach, deren T-Shirts mit Deutschlandmotiven im Eingangsfilm gezeigt wurden. KK