Opfer auf der Anklagebank

PROZESS Amtsgericht verurteilt Mann, der Polizisten „Rassisten“ genannt haben soll

Der Gerichtssaal ist voll, das Interesse der Öffentlichkeit groß. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und der Migrationsrat Berlin Brandenburg haben dazu aufgerufen, den Prozess im Amtsgericht Tiergarten am Mittwoch zu beobachten. Angeklagt ist dabei kein Polizeibeamter, sondern der gebürtige Nigerianer Abasi O. (Name geändert). Was man ihm vorwirft: Er soll zwei Polizeibeamte als Rassisten beschimpft haben. „Sag Nein zu Rassismus“ steht auf dem grünen Pullover, den der Angeklagte jetzt trägt.

Im August 2011 wollte O. in Friedrichshain seiner Arbeit als Telefonzellenreiniger nachgehen, als er von zwei Polizisten kontrolliert wurde. Die beiden behaupteten, O. sei kurz zuvor unangeschnallt Auto gefahren. Abasi O. verneinte dies mehrmals, gab aber bereitwillig seine Personalien und Fahrzeugpapiere heraus. Während der eine Beamte diese überprüfte, kontrollierte der andere den Kofferraum von O.s Dienstwagen. „Wir sind hier nicht in Afrika“, habe der eine Polizist zu ihm gesagt, sagt O. am Mittwoch vor Gericht aus. Der Polizist bestreitet das und behauptet, Abasi O. habe ihn als Rassisten beschimpft. O. wiederum gibt zu, zu den Polizisten gesagt zu haben: „Sie kontrollieren mich, weil ich schwarz bin.“ Das Wort „Rassist“ habe er nicht benutzt.

Getrübte Erinnerung

Während der Verhandlung verschwimmt bisweilen, wer Opfer und wer Angeklagter ist. Die Aussagen der beiden Polizisten sind widersprüchlich. An manchen Stellen scheint ihr Erinnerungsvermögen stark getrübt, dann wieder erstaunlich scharf. Am Ende wird Abasi O. wegen Beleidigung zu 20 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt.

Fälle wie diesen kennt Biplap Basu von der KOP, die seit zehn Jahren solche Fälle dokumentiert und Betroffene unterstützt, zur Genüge. „Racial Profiling“ nennt sich das Vorgehen von Polizeibeamten, wenn diese bestimmte Kriminalitätsbereiche einer bestimmten Herkunft, Hautfarbe oder Religion zuschreiben. In der Mehrzahl der Fälle würden dann wie bei O. die Betroffen selbst zu Angeklagten. Der Anwalt des Verurteilten, Stefan Krauth, will nach Erhalt des schriftlichen Urteils trotzdem Revision oder Berufung einlegen. JASMIN KALARICKAL