Dschungel frisch verglast

BOTANISCHER GARTEN Nach drei Jahren Bauzeit kehren Palmen und Farne ins Große Tropenhaus zurück. Das Gewächshaus in Dahlem wird nun mehr Pflanzenarten beherbergen als vor der Sanierung

■ Breite: 29 Meter, Höhe: 26,5 Meter, Länge: 60 Meter; Grundfläche: 1.750 Quadratmeter

■ Erbaut von 1905 bis 1907 nach Plänen des Königlichen Baurates Alfred Koerner. Sanierung von 2006 bis 2009 durch Haas Architekten BDA, Berlin.

■ Besonderheit: Das Dach ist freitragend, da Stützen nur außen verlaufen. Die Glasfassade ist eingehängt.

■ Ausgetauscht wurden Böden, Heizung, Fußwege, Lüftung und Grotten. Das vorgelagerte Viktoria-Haus soll als Gewächshaus demnächst saniert werden. (ddp)

VON NORA GROSSE-HARMANN

Noch darf kein Besucher ins Große Tropenhaus. Lediglich ein paar Gärtner schenken den Pflanzen, die hier jetzt Wurzeln in die frische Erde graben, mit Notizblöcken und konzentriertem Blick Beachtung. Von draußen tönt Maschinenlärm, das Foyer vor dem Tropenhaus ist noch nicht fertig. Und im hauseigenen Teich, gleich vor der wiederaufgebauten Grotte, fehlt das Wasser. Es gibt noch einiges zu tun vor der offiziellen Wiedereröffnung des imposanten, fast 30 Meter hohen Gewächshauses Mitte September.

Seit drei Jahren dürfen Besucher des Botanischen Gartens in Dahlem das Große Tropenhaus nicht betreten. Grund: Es musste saniert werden. Dringend. Doch wer in diesen Tagen den Handwerkern und Gärtnern über die Schultern schaut, dem mag auf den ersten Blick keine Neuerung auffallen. „Dabei haben wir eigentlich fast alles verändert“, sagt Michael Krebs, Sonderbeauftragter der Freien Universität (FU) für die Sanierung des Großen Tropenhauses. Zur FU gehört der Botanische Garten.

Vor der Sanierung, so Krebs, seien die technischen Anlagen veraltet gewesen, die Stahlträger verrostet. Den dünnen Glasscheiben hätten Wind und Wetter zugesetzt: „Überall waren Risse, manchmal so groß, dass man eine Hand hindurchstecken konnte.“ Vor allem im Winter konnten die Betreiber des Botanischen Gartens dies nur mit verschwenderischer Heizenergie kompensieren. „Noch vier oder fünf Jahre, dann hätten wir das Haus schließen müssen.“

Dabei zählt das Tropenhaus mit einer Grundfläche von 1.750 Quadratmetern und einer Höhe von 26,5 Metern zu den größten freitragenden Gewächshäusern der Welt. Architektonische Besonderheit ist dabei das nach außen gelegte stählerne Tragwerk, an das die Fensterscheiben von innen eingehängt wurden. Diese Konstruktion ermöglicht dem Pflanzenfreund die freie Sicht durch den Tropendschungel ohne Stützen und Pfeiler.

Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sprengbomben die komplette Glasfassade des von 1905 bis 1907 errichteten Gewächshauses. 20 Jahre später hängte man große, dünne Acrylglasscheiben in das Stahlwerk, mit dem Ziel, den Pflanzen besonders viel Sonne zu gewähren. „Das Glas ließ aber auch viel Kälte durch“, erklärt Krebs.

Anstelle der großen Fensterscheiben seien nun wieder kleinere Glasscheiben gerückt, die nicht nur lichtdurchlässig, sondern auch besonders stabil sind. Dazu wurden neben einer Fußbodenheizung sieben dezentrale Heizluftgeräte und zwei als Baumstämme getarnte Umlufttürme gebaut. „Die Geräte kontrollieren Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Türme speichern die Wärme und sorgen dafür, dass die heiße Luft, die nach oben steigt, wieder nach unten gedrückt wird“, beschreibt Krebs das komplizierte Heizsystem. Der Tropenhaus-Experte zeigt auf die vielen Fensterrahmen: „Da ist eine Fassadenheizung drin. Dadurch beschlagen die Scheiben nicht mehr so schnell.“

Mit der Sanierung will die FU, die die Umbauten in Eigenregie durchführen konnte, den Energiehaushalt des Gewächshauses halbieren. Dies sei, so der Tropenhausbeauftragte, nur durch den Bau neuer Heizsysteme und eine gute Isolierung möglich. Budget für die Totalsanierung: 16 Millionen Euro. Laut Krebs kam das Geld zum größten Teil aus den Umweltentlastungsprogrammen der EU und des Landes Berlin. Darüber hinaus beteiligten sich die Hochschulbauförderung des Bundes und der Länder, die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, die FU und der Botanische Garten selbst an der Finanzierung. „Der Umbau hat aber etwa zehn Prozent mehr gekostet“, räumt Krebs ein.

Seit Mai dieses Jahres ziehen Bananenbaum und Palme nach und nach in ihr frisch renoviertes Zuhause. Während der Bauzeit mussten sie im Überwinterungshaus des Botanischen Gartens wohnen. Fast alle Pflanzen haben den Umbau unbeschadet überlebt. „Wir werden jetzt sogar mehr Arten im Tropenhaus ansiedeln können als vorher“, sagt Krebs.

Die Konstruktion ermöglicht freie Sicht durch die Pflanzenwelt ohne Stützen und Pfeiler

Mit 1.358 Arten ist das Tropenhaus nicht nur eines der größten, sondern auch eines der artenreichsten Gewächshäuser der Welt. „Leider wissen das viele Berliner gar nicht“, bedauert Krebs. Jährlich kämen rund 300.000 Besucher in den Botanischen Garten. Der Tropenhausbeauftragte hofft, dass es nach der Sanierung mehr werden.

Vor dem Riesen-Gewächshaus steht Henry Groh, ein Besucher des Botanischen Gartens. Der Hobby-Botaniker freut sich auf die Eröffnung: „Das Tropenhaus ist ein wichtiger Anziehungspunkt für Berlin“, sagt er. „Schade, dass die Sanierung so lange gedauert hat.“ Groh selbst interessiert sich aber mehr für Orchideen und Bromelien als für Riesenfarne: „Ich komme regelmäßig hier her, wenn die Pflanzenbücher bei mir zuhause meine Fragen nicht beantworten können.“

Auch Michael Krebs betont, wie bedeutend das Tropenhaus für die Stadt ist. Zum einen sei der Botanische Garten eine wichtige Forschungseinrichtung der FU und das Tropenhaus sein Aushängeschild. Zum anderen fungiere das Haus wie eine „Arche Noah“ für seltene, vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten. „Und natürlich haben wir auch einen Bildungsanspruch: Wir wollen den Besucher über die Pflanzenvielfalt informieren.“

Für die Wiedereröffnung planen die Betreiber, neben der offiziellen Feier für geladene Gäste am 16. September, Führungen zur Sanierung und ein Volksfest am 19. und am 20. September. An diesen Tagen soll es Musik und gar tropisches Essen geben, wie Krebs verrät. Bis dahin bekommt das Tropenhaus seinen letzten Schliff. Krebs zeigt auf den großen Palmfarn, der mit seinen Blättern quer über dem Besucherweg hängt: „Den müssen wir noch zurückbinden. Die Wedel können nämlich ganz schön pieksen!“

Weitere Informationen zur Wiedereröffnung auf www.bgbm.org