Von schludrig bis schildahaft

Skateranlage mit Dach, Herren-Jeans für Polizistinnen, Slawistik ohne Studenten: Niedersachsens Landesrechungshof rügt den Umgang mit öffentlichen Geldern – und fordert das Land zum Gang vors Bundesverfassungsgericht auf

Natürlich wolle sie „nicht das Vorurteil bestätigen , dass die öffentliche Verwaltung nicht leistungsfähig sei“, drechselte gestern die Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs. Dann legte Martha Jansen einen 183 Seiten dicken Wälzer über den Umgang mit öffentlichen Geldern im Jahr 2003 vor. Drin steht alles von schludrig bis schildahaft, denn Zustände wie dort gibt es offenbar überall, wo ein Amt steht.

Da monieren die Prüfer eine 15.000 Euro teure Siebdruckanlage im Landesmuseum Hannover, die seit dem Kauf im Jahr 1991 erst „ein einziges Mal“ genutzt wurde. Aufgrund des „regenreichen norddeutschen Klimas“ war in Lüneburg eine Skateranlage überdacht worden. Kostenpunkt: 290.000 Euro. Anderswo seien ganze Skaterrampen für 17.000 Euro gebaut worden. Weiter prangern die Rechnungshöfler an, dass Polizisten im Innendienst Motorradbekleidung oder Beamtinnen Herren-Jeans bewilligt bekommen hätten: Insgesamt wurden bei Stichproben in drei Dienststellen „Auffälligkeiten“ bei Bestellungen von Dienstkleidung in Höhe von gut 30.000 Euro entdeckt. Auch die fünf Seemannsämter im Land seien „weitgehend verzichtbar geworden“. Ihr Aufgabengebiet stamme noch aus dem 19. Jahrhundert: So regelten das An- und Ausmustern von Matrosen heute Tarifverträge. Sparpotential: 360.000 Euro.

Insgesamt sieht Jansen Sparmöglichkeiten in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro. Besonders kritisierte der Bericht den Hochschul-Bereich. Bei der TU Clausthal zweifeln die Prüfer, dass sie „eine angemessene Auslastung überhaupt erreichen, geschweige denn nachhaltig sichern“ könne.

Das liest sich wie die Empfehlung, die Harzer Uni mit 90 Professoren und rund 2.800 Studenten dicht zu machen. Im Wintersemester 2004/05 lag die durchschnittliche Auslastung der Studiengänge nur bei etwa 60 Prozent, die Studiengänge Bergbau und Metallurgie waren nur zu einem Viertel ausgelastet. Laut Wissenschaftsministerium liegt die Auslastung der TU inzwischen bei 76 Prozent. Sie erhält pro Jahr Landesmittel in Höhe von 56 Millionen Euro.

Auch den beiden Slawistik-Seminaren im Land droht die Schließung, wenn es nach dem Rechungshof ginge. An der Uni Göttingen würden pro Semester nur elf Studenten das Fach belegen, in Oldenburg gar nur fünf. Da sei „die Frage, ob dieses Fach in Niedersachsen überhaupt noch angeboten werden sollte“, heißt es in dem Bericht.

Weiteres Rotstift-Potenzial entdeckten die staatlichen Rechnungsprüfer im Schulbereich: Die Kollegschulen, in denen Erwachsene das Abitur nachholen können, seien nicht mehr zeitgemäß, andere Angebote würden denselben Zweck kostengünstiger erreichen. Ein „überholtes Fossil“ seien zudem die Kreisbildstellen, die für Schulen Filme und CDs zur Verfügung stellen. Hier seien jährlich 900.000 Euro abzuknapsen. Erneut schlug Jansen vor, die prüfungsfreie Altersteilzeit für Lehrer abzuschaffen. Sie dürfen mit 59 Jahren auf einer halben Stelle arbeiten, kassieren dafür aber 85 Prozent der Bezüge. Alle Teilzeitbeamten des Landes hätten 2003 Mehrkosten in Höhe von 62 Millionen Euro verursacht.

Bei den Kosten der Castor-Einsätze forderte Jansen das Land sogar zum Gang vors Bundesverfassungsgericht auf. Nach den jährlichen Einsätzen schicken die beteiligten Bundesländer regelmäßig Rechungen für den Einsatz ihrer Polizisten, im Jahr 2003 waren das 6,2 Millionen Euro. Tatsächlich werden die Überstunden oft gar nicht bezahlt, stattdessen bummeln die Beamten die zusätzliche Arbeit ab. „Ein so armes Land wie Niedersachsen“, meinte Jansen, solle vor Gericht die Schein-Zahlungen in Höhe von 3,1 Millionen Euro einklagen. Kai Schöneberg