: Die Knetchenfrage in Kiel
In einem sind sich die Studierenden von Schleswig-Holstein einig: Gebühren für die Alma mater wollen sie nicht zahlen. Manche Professoren sehen das als Symptom einer „Hotel-Mama-Mentalität“
Von Esther Geißlinger
Mit stapelweise Faxen bombardierten Kieler Studierende das Sekretariat von Dietrich Austermann (CDU). Ein Glückwunsch an den Wirtschaftsminister und neuen Zuständigen für die Hochschulen stand darauf – und die Knetchenfrage: Wie er es denn halte mit den Studiengebühren?
Schleswig-Holstein, so heißt es im Koalitionsvertrag, will in dem Punkt keine Vorreiterrolle spielen, es allerdings auch nicht zu einer „Insellösung“ kommen lassen. Also schauen die Kieler Studenten nach Bremen, Niedersachsen und Hamburg. In der Hansestadt ging es in dieser Woche heiß her: Mehrere Hundert Studierende protestierten gegen die drohenden Gebühren, die Polizei griff massiv ein und nahm einige Demonstranten in Gewahrsam. In Schleswig-Holstein ist die Lage noch deutlich ruhiger. Aber: wenn die Nachbarländer Gebühren einführen, würde Kiel wohl nachziehen, obwohl die SPD dagegen ist. Das befürchtet der Vorsitzende des DGB-Bezirks Nord, Peter Deutschland: „Gebühren sind ein bildungspolitischer Rückschritt“, sagte der Gewerkschaftsvertreter, der den Protest der Hamburger Studierenden billigt.
Lars Juister vom Kieler AStA und der Juso-Hochschulgruppe sieht nicht ein, warum Schleswig-Holstein nachziehen müsste: „Man redet doch immer vom Wettbewerb der Universitäten – wir hätten keine Angst davor, gegen Bezahl-Unis zu bestehen.“ Die Studierenden seien sich einig: Im Studentenparlament hätten auch RCDS, JU und Julis gegen Gebühren gestimmt.
Die Professorenschaft ist gespaltener Meinung: Monika Frommel beispielsweise, die Direktorin des kriminologischen Instituts der Kieler Uni befürwortet die Gebühr: „Das jetzige System ist nicht nachhaltig – Ressourcen werden verschleudert.“ Die kostenlose Uni verleite dazu, das Studium nicht ernst zu nehmen, Reisen, Partys und Nebenjob dem zügigen Lernen vorzuziehen: „90 Prozent der Studenten haben eine Hotel-Mama-Mentalität – sie machen das, was das System ihnen vorgibt und erlaubt. Denen könnten Gebühren das gute Gewissen nehmen.“
Nur was kostet, ist etwas wert? Lars Juister kann mit dem Gedanken nichts anfangen: „Bildung ist keine Ware, und ich bin nicht Kunde, sondern Teil der Uni.“ Der AStA habe bereits vor der Wahl informiert, welche Parteien Gebühren wollten und welche nicht. Für den Fall, dass die Nachbarländer das Bezahl-Studium einführten, „werden wir dagegen kämpfen“.
Den Protest der Studis kann Professorin Frommel verstehen: „Das läuft eben so ab, das ist Entertainment.“ Die Diskussion, wie sie zurzeit geführt werde, sei populistisch und „unter Niveau“: „Mich ärgert die Debatte um Gebühren, ohne dass über die sozialverträgliche Finanzierung gesprochen wird. Es wäre schön, wenn endlich die Sachfragen geklärt würden.“ Denn ohne ein Netz von Stipendien und Sponsoring brächte eine Gebühr gar nichts: „Das Studium müsste intensiv statt lang sein. In Vollzeit statt als Teilzeitstudium neben einem Job. In Hamburg, wenn es so eingeführt wird, ist der Misserfolg vorprogrammiert.“
So weit entfernt ist die Professorin also gar nicht vom Studenten: „Wenn jemand ein vollständig sozialverträgliches Modell vorlegen würde, könnte man darüber nachdenken“, meint Lars Juister. „Aber das hat bisher keiner getan. Wir sagen: Sorgt erst mal für Bedingungen, unter denen man zügig studieren kann, dann reden wir über Gebühren.“
Als Antwort auf die Faxe ins Ministerium teilte Wissenschaftsstaatssekretär Jost de Jager (CDU) mit, es bestehe kein Anlass für Aktionen gegen Studiengebühren. Ob das ein klares Bekenntnis zur Kost-nix-Uni ist, will der AStA beim Gespräch im Wirtschaftsministerium klären.