: Muttermythos im Museum
Interessanterweise gibt es innerhalb der Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts die machtvolle Tendenz, die zweifelhafte Idealisierung von körperlicher Mutterschaft immer wieder aufzurufen
VON KÄTHE BRANDT
Die Mutter und ihre soziale Bedeutung ist in der momentanen Debatte um sinkende Geburtenraten, die seit einiger Zeit vornehmlich in den Feuilletons geführt wird, erst zum Synonym für eine gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen geworden, scheint spätestens seit der Pisa-Studie zu einem hochbrisanten Thema emporgewachsen.
Das Bonner FrauenMuseum widmet dem „Mythos Mutter“ bis August eine reichhaltig bestückte, aber erstaunlich unpolitische Ausstellung. Die realen ebenso wie die potenziellen Mütter werden historisch, theoretisch und psychologisch seziert und auf ihre gesellschaftliche wie erzieherische Tauglichkeit hin abgeklopft, daß es nur so staubt. Die evangelikale Verklärung einer mütterlich definierten Weiblichkeit und der damit einhergehenden Konsequenzen hat offenbar besonders in Deutschland tiefe Wurzeln. Und interessanterweise gibt es innerhalb der Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts die machtvolle Tendenz, eben diese zweifelhafte Idealisierung von körperlicher Mutterschaft immer wieder aufzurufen. So wird ein Bild stereotyp verklärter Weiblichkeit heraufbeschworen, welches letztlich darin mündet, die reproduktive Arbeit als glückverheißende Aufgabe zu verklären. Als Ehefrau und vor allem als Mutter hat die Frau ihre Berufung gefunden. Der Mythos Mutter, die große Mama wird als die Liebende, Sorgende, Wärmende und Leben Spendende bis in unsere Tage weitergetragen, multipliziert und immer wieder politisch instrumentalisiert. Dass heute medienwirksam lauter sexy Turbofrauen die Mutterschaft als neues Lifestyle- Ideal anbieten ist nur eine modernisierte Variante dieser Mythifizierung.
Nicht wirklich erstaunlich und dennoch bemerkenswert ist das Phänomen der Biographisierung, einer Selbstbespiegelung, welches sich in der aktuellen Ausstellung im Bonner Frauenmuseum beobachten läßt: Hier setzen sich rund 70 Frauen vorwiegend illustrativ mit dem Mutter-Bild auseinander, nehmen die Bedingungen der Konstruktion ihrer eigenen Subjektivität unter die Lupe und reflektieren die alten, immer noch aktuellen Bilder- oder tragen Klischees weiter. In den vielen Bildern und plastischen Arbeiten artikulieren sich die Identitätsentwürfe und Sehnsüchte mehrerer Generationen. So finden sich Spuren erlebten Leids und kollektiver Schmerzen, vor allem und immer wieder aber wird auf die „typisch weiblichen“ Eigenschaften wie Emotionalität verwiesen.
Dabei dienten gerade Hinweise auf diese vermeintlich geschlechtsspezifische Differenz im Namen „männlicher“ Kulturhoheit immer wieder dazu, die Arbeiten weiblicher Künstler abzuwerten. Dem Impuls trotziger Selbstbehauptung folgend, scheinen viele der Künstlerinnen aber beherzt gerade in diese Falle zu laufen. Denn Mütterlichkeit als „Natur der Frau“ unhinterfragt zu feiern, bedeutet letztlich auch, das „männliche“ Konzept des Gegensatzes von Natur und Geist, Emotion und Ratio zu akzeptieren. So muss man zwar den Drang, die Arbeit einer Künstlerin immer zuerst in ihrer Biographie zu verankern, als Versuch ansehen, diese Zuschreibung als positiven Wert umzumünzen. Die Gefahr aber besteht letztlich darin, dass gerade diese Anverwandlung dazu beiträgt, das stereotype Bild weiblicher Kunst zu bestätigen. Glücklicherweise aber trifft dies längst nicht auf alle im FrauenMuseum ausgestellten Arbeiten zu.
Die Vielfalt der in Bonn vertretenen Ansätze und Reflexionsangebote reicht von den banal ironisierten Regeln, die die Frau als Opfer patriarchaler Denkmuster auf einem fragwürdigen Niveau festschreibt, von der dicken roten Filzmami mit Kind bis zu der Ansammlung (weiblicher?) schwarzer Gestalten, die erst in der Gruppe auf ein gemeinsames Ziel hin zu streben scheinen. Vom 17. bis ins bürgerliche 19. Jahrhundert waren es vorwiegend männliche Künstler, die, wenn sie überhaupt auftaucht, das Bild der „guten Mutter“ als Identifikationsangebot und Sehnsuchtsmotiv mit ihrer Kunst verbreiteten und so in den diversen Madonnen und Heiligen ein Leitbild tugendhafter Weiblichkeit schufen. Diese mythisch verklärte Figur lebt bis heute fort und hat offensichtlich nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Die Naturalisierung von Geschlechterdifferenz – im Rückgriff auf die mythisch-natürliche Kraft und Fruchtbarkeit einer Venus von Willendorf etwa – scheint nahe liegend und legitim. Die Konsequenzen eines solchen biologischen Determinismus jedoch sollten nie aus dem kritischen Blick verloren werden. Denn mit ihm wird auch ein gefährliches Klischee bedient, welches die Überzeugung vertritt, Frauen seien von Natur aus anders – eben besser, naturverbundener und (an schmerzlicher wie schöner Erfahrung) reicher. „Mythos Mutter“ ist eine ambivalente Ausstellung, die zu Stellungnahme und eigener Positionierung reizt.
Begleitprogramm FrauenMuseum29.05., 16:00 UhrEugen Drewermann„Mütter in Märchen“Infos: 0228-638467