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Archiv-Artikel

Kreatives Chaos beim Bachelor

45 Staaten erweitern „grenzenloses Studium“ bis zum Kaukasus. Vielzahl ungleicher Bachelor und Master. Deutsche FHs üben Kritik an Bachelor-Veto der Architektenkammer

BERLIN taz ■ Es klang nach Durchhalteparole: Europas Bildungsminister beschlossen gestern in Bergen (Norwegen), an ihrem Ziel des „Studiums ohne Grenzen“ festzuhalten. Zwischen Norwegens Tromsø, dem sizilianischen Catania und Portugal sollen 15 Millionen StudentInnen frei studieren können.

Dazu ist es nötig, wie einst in Bologna beschlossen, bis 2010 an allen beteiligten Hochschulen Klone von Bachelor und Master zu schaffen. Allerdings merkten die 45 Minister, wie gigantisch dieser Hochschulraum sein wird – und ließen daher vorsorglich auch beim akademischen Europa zwei Geschwindigkeiten zu. Flotte Kerneuropäer und langsamere Kleinstaaten wie die neu in den Bologna-Club aufgenommenen Staaten Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien und Ukraine.

Beim grenzenlosen Studium gilt der Grundsatz: Europeans are different. Während die fleißigen Norwerger das Zweiphasenstudium Bachelor und Master beinahe komplett eingeführt haben, wird anderswo noch gestritten. In Österreich etwa geht alles ein wenig gemächlicher zu – dort dürfen die Hochschulen die neuen Kurzstudien und die alten Examina parallel anbieten.

Eine neue Studie hält fest, was für die Umstellung charakteristisch ist: „Es kann keine einheitliche Logik des Systems gestufter Studiengänge festgestellt werden.“ Das Modell drei Jahre Bachelor, danach zwei Jahre Master (3 + 2) sei zwar der Grundtyp, daneben aber gebe es vielfältige Abweichungen wie 4 + 1 oder 4 + 2, schreiben die Gutachter vom Wissenschaftlichen Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung in Kassel. Die Universitätsforscher hatten sechs Länder verglichen – und waren in einen Kräutergarten ganz unterschiedlicher Interpretationen von Bachelor und Master geraten. Die neue Unübersichtlichkeit gilt auch hierzulande. Deutschland gehört zwar zu den Frühstartern bei der Bachelorisierung des Studiums, hat aber dennoch erst 3,5 Prozent seiner zwei Millionen Studierenden in den neuen Studienprogrammen. Immerhin begannen vergangenes Jahr 16 Prozent der Studienanfänger als Bachelor. Knapp 3.000 der 11.000 Studiengänge sind zwischen Kiel und Garmisch auf das Phasenstudium umgestellt, das die Möglichkeit geben soll, auch gleich nach dem Bachelor in den Beruf zu gehen.

An Krisen mangelt es dabei nicht. Gerade am Umgang mit den Bachelors scheiden sich die Geister. Während die befragten Universitäten davon ausgehen, dass knapp 70 bis 90 Prozent der Bachelorstudenten auch ein Masterstudium aufnehmen werden, gibt es dafür in Deutschland Restriktionen. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind die Übergänge auf 20 bis 50 Prozent gedrosselt – damit bewahrheitet sich eine alte Kritik der Studierenden, die eine Schrumpfungskur für die Studentenzahlen vorausgesagt hatten.

Ungewöhnlich sind auch die Phänomene bei der Berufsfindung. Als unsicherste Kantonisten gelten die Universitäts-Bachelors. Sie erhalten im Schnitt 2.500 Euro weniger Gehalt im Job als die FH-Bachelors (die 31.500 Euro pro Jahr bekommen) – sofern die Uni-Bachelors überhaupt einen Job finden.

Exemplarisch ist die Bachelorkrise bei den Architekten. Dort weigern sich sowohl der Bund der Deutschen Architekten als auch die Bundesarchitektenkammer Bachelors als vollwertige Absolventen anzuerkennen. (taz vom 18. Mai 2005) Aus den Architekturfachbereichen kam nun scharfe Kritik an den beiden Bundesverbänden. Es sei eine Frechheit, sagte der Dekan der Architektur an der FH Oldenburg, Lutz Beckmann, der taz, „dass die Bundesverbände die neuen Studiengänge öffentlich schlecht machen“. Und für die Architekten der FH Bochum kritisierte Harald Gatermann: „Die Architektenverbände chaotisieren den schwierigen Umstellungsprozess, weil sie eine verlogene Politik betreiben. Sie arbeiten intern an der Bachelorisierung mit – und denunzieren dann öffentlich die Bachelorabsolventen.“ CHRISTIAN FÜLLER