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Archiv-Artikel

UNO verurteilt Folter-Charterflüge

Das Komitee gegen die Folter rügt Schweden wegen der Auslieferung von Terrorverdächtigen an Ägypten und kritisiert Verstöße gegen die Antifolterkonvention. Ein US-Kommando verfrachtet regelmäßig solche Personen an Folterstaaten

AUS STOCKHOLM REINER WANDLER

Zum ersten Mal hat das UN-Komitee gegen Folter (CAT) in Genf einen Fall des „Foltercharterverkehrs“ der USA behandelt. Es stellte am Freitag vergangener Woche auf seiner 34. Sitzung klar, dass auch für Terrorverdächtige der Schutz der Antifolterkonvention der UNO uneingeschränkt gilt. Kein Land könne sich der Verantwortung für die Behandlung von Verdächtigen dadurch entziehen, dass es das schmutzige Geschäft von Abschiebung und Folter an Drittländer delegiert. Verurteilt wurde Schweden, das einer Spezialeinheit der USA vor dreieinhalb Jahren die Abschiebung zweier angeblich terrorverdächtiger ägyptischer Asylsuchender in ägyptische Gefängniszellen überlassen hatte. Dort wurden sie offenbar gefoltert und misshandelt.

Ahmed Agiza und Mohammad al-Zery waren am 18. Dezember 2001 in ihren Wohnungen verhaftet, am Stockholmer Flughafen Bromma von aus Washington eingeflogenen US-Agenten übernommen und mit einem Jet mit der Registrierungsnummer N379P nach Kairo verfrachtet worden. Die N379P fliegt für das „Special Access Program“ (SAP). Dabei handelt es sich laut dem US-Journalisten Seymour Hersh um ein kurz nach dem 11. September 2001 aufgestelltes Kommando, das aus etwa 200 Personen besteht, mit dem Auftrag, zu kidnappen, zu foltern und zu töten. Nach Angaben von Richard Clarke, ehemaliger Terrorexperte des Weißen Hauses, schlägt die Spezialtruppe ohne Rücksicht auf nationales oder internationales Recht weltweit zu. Entweder im Geheimen oder wie im Falle Schwedens mit ausdrücklicher Erlaubnis der dortigen Regierung. Mindestens 49 „Terroristentransporte“ der N379P sind dokumentiert. Die Zielstaaten sind Länder wie Libyen, Jordanien, Syrien, Usbekistan und Ägypten. Alles Staaten, die berüchtigt für Misshandlungen und Folter bei Verhören sind.

Es habe der Verdacht bestanden, dass die Ägypter einen Terroranschlag von schwedischem Boden aus vorbereiteten, versuchte Hans Dahlgren, Leiter der Stockholmer Regierungskanzlei, das Vorgehen zu rechtfertigen, nachdem schwedische Medien vor einem Jahr über den Fall berichtet hatten. Vor der Abschiebung will Schweden eine Zusage Ägyptens erhalten haben, wonach den beiden Männern weder Folter noch Todesstrafe drohe.

Eine solche Zusicherung ist nach Einschätzung der CAT vor dem Hintergrund dokumentierter Menschenrechtsverletzungen in ägyptischen Gefängnissen wertlos. CAT kritisiert die schwedischen Regierung auch scharf, weil sie die Arbeit der CAT sabotiert habe. So habe Stockholm zunächst versucht, Fakten zu verdrehen und Informationen vorzuenthalten. Dies sei ein zusätzlicher Verstoß gegen die Antifolterkonvention und geeignet, die Arbeit des Komitees zu unterminieren. Weiterhin kritisiert CAT den mangelnden Rechtsschutz von Agiza und al-Zery, die ohne rechtskräftige Entscheidung in ihrem Asylverfahren abgeschoben wurden.

Von einem „Kollaps des schwedischen Rechtssystems“ hatte die sozialdemokratische Stockholmer Tageszeitung Aftonbladet nach Bekanntwerden der Abschiebung gesprochen. Mit der Begründung, „es war ja nicht Schweden, das die Gefangenen auf diese Weise behandelt hat“ (Dahlgren), versuchte die Regierung, sich vor der Verantwortung zu drücken. „Wenn schon ein Land wie Schweden so etwas macht, können wir uns ausrechnen, was wir von anderen Staaten erwarten können“, hatte im vergangenen Herbst Theo van Boven erklärt, damaliger Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission. „Diese Tendenz muss man dringend stoppen.“

Anna Wigenmark vom „Helsinki-Komitee für Menschenrechte“ begrüßte gegenüber schwedischen Medien die jetzige Genfer Entscheidung: „Wäre die UNO zum Ergebnis gekommen, dass Schweden mit dieser Aktion nicht gegen die Antifolterkonvention verstoßen hätte, wäre damit die Tür für alle anderen Staaten offen, ähnlich zu handeln.“ Wigenmark glaubt, dass es leider nur „allzu viele“ sind, die sich das Problem von mutmaßlichen Terrorverdächtigten auch in Zukunft auf solche Art und Weise durch die US-Spezialtruppe vom Hals schaffen lassen wollen.