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Archiv-Artikel

Neue Wahlen, neue Qualen

Das Dauerwählen in Hamburg geht weiter: Im Herbst steht mit der vorgezogenen Bundestagswahl der fünfte Urnengang in vier Jahren an. Die Parteien begannen bereits gestern mit der Organisation, die Suche nach KandidatInnen wird forciert

Von Sven-Michael Veit

Die Gelassenheit ist groß. Mit kurzen Wahlkämpfen habe man Erfahrung, heißt es in Hamburgs Parteizentralen. Die vorzeitige Bürgerschaftswahl am 29. Februar vorigen Jahres – die kurzfristigste der vier Hamburg-, Bundestags- und Europawahlen seit September 2001 – musste in nur zwei Monaten organisiert werden: „Seitdem“, sagt Jens Kerstan, stellvertretender Landesvorsitzender der GAL, „schreckt uns nichts mehr.“ Auch keine Bundestagsneuwahl vermutlich am 18. September – wir sind bereit, wird allenthalben versichert.

Eine Aussage, die bei den Grünen und der FDP am ehesten zutreffen dürfte. Die beiden kleinen Parteien müssen sich um Direktkandidaturen in den sechs Hamburger Bundestagswahlkreisen nur rein formal Gedanken machen. Von Bedeutung sind höchstens die beiden ersten Listenplätze, und die werden nicht ohne Gerangel vergeben.

FDP-Landeschef Leif Schrader hatte bereits am Rande des Landesparteitages am 7. April durchblicken lassen, gegen den langjährigen Abgeordneten Rainer Funke antreten zu wollen. Nach zwei Jahrzehnten Profillosigkeit im Bundestag, munkeln manche Liberale, sei es genug mit dem 64-jährigen Rechtsanwalt. Bereits nächsten Montag will der FDP-Landesvorstand sich mit der Spitzenkandidatur befassen.

Bei der GAL hoffen nicht wenige, dass die beiden in Frage kommenden Kandidatinnen diese Frage unter sich ausmachen: Anja Hajduk und Krista Sager. „Eine Kampfkandidatur um Platz 1 sollten wir vermeiden“, sagt ein prominenter Grüner, „das beschädigt nur die Unterlegene.“ Für Parteivize Kerstan wäre alles andere als eine Spitzenkandidatin Sager „das falsche Signal“. Als Fraktionschefin im Bundestag stehe Hamburgs ehemalige Zweite Bürgermeisterin „in Berlin ganz vorne in der Verantwortung“, also müsse sie diese auch im Wahlkampf übernehmen.

Parteichefin Hajduk, vor drei Jahren Spitzenkandidatin, will „noch mit Krista darüber reden, wie wir das machen“. Allerdings sei deren „besondere Rolle und ihre große Bekanntheit“, so Hajduk zur taz, „ein wichtiger Punkt“. 2002 hatte die GAL mit einem unerwartet guten Ergebnis zwei Sitze errungen (siehe Kasten) und die durchaus überraschte Sager plötzlich ein Bundestagsmandat. Darauf aber können die Grünen nicht erneut ohne weiteres zählen: Listenplatz 2 ist eine Wackelkandidatur.

Heute Nachmittag beraten Landes- und Fraktionsvorstand gemeinsam über den Wahlkampf. Bis Ende Juli, schätzt Kerstan, müsse eine Landesmitgliederversammlung über Planung und Personal befunden haben: „Viel schneller geht‘s nicht, viel später kann wohl nicht.“

So ähnlich dürfte es auch bei der CDU zugehen, die gar zu gerne auch mal ein Direktmandat erringen würde. Dass der Landesvorsitzende Dirk Fischer erneut kandidiert, ist unumstritten, auch Antje Blumenthal und Jürgen Klimke werden höchstwahrscheinlich wieder antreten. Der Harburger Volker Rühe hingegen gab gestern bekannt, nach 29 Jahren von der Volksvertreterei abzulassen.

Zudem kann sich die Elb-Union berechtigte Hoffnungen auf ein besseres Resultat als 2002 und damit auf ein weiteres Mandat machen – die Plätze 4 und 5 der Landesliste dürften mithin arg umkämpft sein. „Zum Ende der Sommerpause“, also ebenfalls Ende Juli, mutmaßt Parteisprecher Michael Ohm, „müssen wir das Tableau fertig haben.“

Am buntesten dürfte es bei der SPD zugehen, auch wenn Landesgeschäftsführer Ties Rabe versichert, „gewappnet“ zu sein. In vier Wahlkreisen werden die männlichen Platzhirsche aller Voraussicht nach von ihrer Basis abgenickt werden, in zwei Kreisen jedoch geht es spannend zu.

In Nord bewerben sich drei Männer um das Erbe der vor einem Jahr verstorbenen Anke Hartnagel: Bezirksamtsleiter Mathias Frommann, Kreis-Vize Martin Gödde und Christian Carstensen, Distriktschef in Langenhorn-Süd. Bis zum 7. Juni sind die Vorstellungsrunden an der Parteibasis terminiert, danach kann „ohne neuen Zeitdruck die Wahlkreiskonferenz entscheiden“, so die Kreisvorsitzende Inka Damerau gelassen.

Hektischer geht es in Eimsbüttel zu, wo nach dem angekündigten Rückzug von Angelika Mertens im Herbst deren Nachfolge geregelt werden sollte. „Das müssen wir jetzt deutlich verkürzen“, weiß Kreischef Jan Pörksen. Die Vorstellungsrunden in den Distrikten werde es aber auf jeden Fall geben, am 1. Juni werde der Kreisvorstand über das Vorgehen beschließen. Für den Bundestag bewerben sich der frühere Juso-Bundesvorsitzende Niels Annen und mit Dorothee Stapelfeld, ehemals Bürgerschaftspräsidentin und zurzeit Bürgerschaftsabgeordnete und Vize-Parteichefin, die einzige Frau unter den 12.159 Hamburger GenossInnen. Sie sei „bereit und optimistisch“, sagt Stapelfeldt – und den Sommerurlaub habe sie eh noch nicht geplant.