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Archiv-Artikel

Ein Schritt zurück in die Realität

Die SPD in Nordrhein-Westfalen wagt einen personellen Neuanfang. Landeschef Schartau räumt seinen Platz

KÖLN taz ■ Es war ein bizarrer Auftritt am Tag nach dem historischen Wahldesaster: Nein, ein Rücktritt käme für ihn überhaupt nicht in Frage, verkündete da der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Harald Schartau trotzig. Es sei nun einmal „nicht meine Art, mich vom Acker zu machen“. Außerdem gäbe es Diskussionen über seine Person nur in den Medien, nicht in den Parteigremien. Da irrte der Noch-„Superminister“ für Wirtschaft und Arbeit – ein tragischer Fall von Realitätsverlust.

Seine Durchhalteparolen reichten nicht einmal 48 Stunden. Nach einer Krisensitzung des SPD-Landesvorstandes am Mittwoch in Düsseldorf musste Schartau erkennen, dass er auch ganz persönlich die Konsequenz aus dem schlechtesten Ergebnis seiner Partei an Rhein und Ruhr seit über 50 Jahren zu ziehen hat. Am Abend vor Fronleichnam kündigte der 52-Jährige in Düsseldorf seinen Rücktritt vom Landesvorsitz an. „Der Schritt heute ist mir leicht gefallen, weil ich nicht das Gefühl habe, nach einer Niederlage einfach vom Acker gegangen zu sein“, sagte der kauzige frühere IG-Metall-Funktionär, den die Partei 2001 als Nachfolger Franz Münteferings aufs Schild gehoben hatte.

Am Dienstagnachmittag soll Müntefering in Berlin seinem glücklosen Nachfolger bereits unmissverständlich klar gemacht haben: „Harald, es geht nicht mehr!“ Zuvor hatte schon der bisherige Landtagsfraktionschef Edgar Moron ein deutliches Zeichen gesetzt und angekündigt, sich nicht wieder zur Wahl zu stellen. Seine Begründung, die auch in Richtung Schartau ging: „Die NRW-SPD braucht jetzt einen Neuanfang.“

Der Nachfolger Schartaus wie auch insgesamt ein neuer Landesvorstand sollen auf einem Sonderparteitag am 9. Juli gewählt werden – allerdings nur für eine Übergangszeit bis Februar 2006. Erst dann will sich die Partei endgültig neu aufstellen. Als Interimsvorsitzender auserkoren ist der 57-jährige Jochen Dieckmann. „Wir müssen rasch wieder Tritt fassen“, forderte Diekmann, bisheriger Landesfinanzminister.

Neue Fraktionschefin soll die 44-jährige Hannelore Kraft werden. „Sie hat die intellektuellen, die Durchsetzungs- und die politischen Fertigkeiten, das schwere Amt des Oppositionsführers zu übernehmen“, so Noch-Fraktionschef Moron. Die Diplom-Ökonomin wurde im November 2001 Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, ein Jahr später übernahm sie das Wissenschafts- und Forschungsressort.

PASCAL BEUCKER