piwik no script img

Archiv-Artikel

Weltkriegsschlacht am warmen Büffet

Mehrere Hundert ehemalige Mitglieder der Waffen-SS kommen heute in Hamburg zu einem Veteranen-Treffen zusammen. Hiesiger Landesverband sehr aktiv, enge Zusammenarbeit mit Neonazis und Burschenschaften. Verfassungsschutz arglos

Von Andreas Speit

„Unsere Ehre heißt Treue“: Der alte Leitspruch der 1925 gegründeten Nazi-Schutzstaffel (SS) gilt heute noch bei der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehem. Waffen SS“ (HIAG). Diese hat das Motto allerdings etwas erweitert: „Ehre, Treue, Kameradschaft ist weiter unser Ziel“, verkündet sie. Zum 55. Jubiläum erwartet der Hamburger Landesverband um den langjährigen Landessprecher Franz Schmitz heute über 300 ehemalige Angehörige der Waffen-SS. Auch aus Lettland, Belgien und Österreich sollen alte Kameraden kommen. Aus Sorge vor Protesten hält die kampferfahrene Truppe den Ort jedoch geheim.

Schon im Mai 2000 hatten sich in der Hansestadt an die „400 Kameradenfrauen und Kameraden“ getroffen. Sie zeichneten alte Mitstreiter aus und ehrten die „gefallenen Kameraden“, die „Bombenopfer“ und die „auf der Flucht aus ihrer Heimat Umgekommenen“. Zwischen Kaffeetafel, Liedern zum Mitsingen, Totengedenken und warmen Büffet erinnerte Schmitz an alte Zeiten: „Waren wir es doch, die dem Überfall der Roten Armee durch unseren Angriff zuvorkamen und dadurch Europa vor dem Bolschewismus bewahrten.“

Noch bevor 1950 der Bundesverband entstand, gründete Otto Kumm, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS, 1948/49 in Hamburg die erste Landesgruppe. In diesem Jahr ist er erstmals nicht dabei: Laut dem Monatsmagazin der HIAG, Der Freiwillige, wurde Kumm 2004 zur „Großen Armee abgerufen“.

1992 löste sich der Bundesverband auf, doch einzelne Landesverbände, die auch dem „Verband deutscher Soldaten e. V.“ (VDS) angehören, blieben bestehen. Die Bundeswehr kündigte 2004 die Zusammenarbeit mit dem Verband auf, unter anderem wegen der Nähe zur HIAG.

Trotz des hohen Alters der Mitglieder ist der Hamburger Verband, der als gemeinnützig anerkannt ist, sehr aktiv. Monatlich treffen sie sich in einem „Vereinslokal“, regelmäßig führen sie Tages- und Auslandsreisen durch. So organisierte der Landesverband eine Fahrt nach Lettland, wo gemeinsam mit ehemaligen lettischen SS-Verbänden deren vermeintliche finanzielle Not beklagt wurde. Seit etlichen Jahren jedoch beziehen lettische SS-Männer Geld nach dem deutschen Versorgungsgesetz, während die Opfer der SS oftmals immer noch nichts erhalten.

Alljährlich gedenken über 100 HIAG-Aktivisten auch auf dem Ehrenfriedhof in Vahrendorf in der Lüneburger Heide ihrer gefallenen SS-Kameraden. Praktische Solidarität zeigten sie bei dem Verfahren gegen den Hamburger SS-Verbrecher Friedrich Engel. Als dieser 2002 gegen seine Verurteilung wegen eines Massakers in Italien Revision einlegte, bat Der Freiwillige um „sachdienliche Hinweise“ für seine Verteidigung.

Doch auch um den Nachwuchs kümmert sich die HIAG. Längst unterhält sie enge Beziehung zu den militanten „Freien Kameradschaften“ um den Hamburger Neonazi Thomas „Steiner“ Wulff. Die Kameradschaften laden SS-Veteranen gern als Redner zu Aufmärschen ein, auch gemeinsame Reisen in die Ardennen oder zu anderen Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs werden veranstaltet. Im Freiwilligen schalten auch die Hamburger „Burschenschaft Germania“ und „Pennale Burschenschaft Chattia“ Veranstaltungsanzeigen.

Hamburgs Verfassungsschützer haben auf derlei Umtriebe kein wachsames Auge: „Über die HIAG wird nicht mehr systematisch berichtet“, räumt dessen stellvertretender Leiter Manfred Murck auf Anfrage der taz ein.