: Zwischen Merkel und Rafsandschani
VON KATAJUN AMIRPUR
Man kann nicht sagen, dass der Gedanke angenehm wäre: Als Deutschiranerin werde ich demnächst in der Welt durch Angela Merkel und Ali Akbar Rafsandschani repräsentiert. Nie zuvor hat mich meine angebliche Doppelidentität, an der ich laut CDU-Doktrin schon längst hätte zerbrechen müssen, gestört. Aber jetzt setzt sie mir doch gewaltig zu. Ich hätte mich ja über eine Kanzlerin Merkel hinwegtrösten können, indem ich weniger loyal zu Deutschland und loyaler zu Iran gestanden hätte. Aber seit Umfragen prognostizieren, dass Rafsandschani die Wahl im Juni gewinnt, geht das nicht mehr.
Da hilft mir nicht einmal die Tatsache, dass Merkel eine Frau ist und dass ich es ja eigentlich toll finden müsste, wenn endlich eine Leidensgenossin ins mächtigste Amt meines Mutterlandes aufsteigt. Aber muss es ausgerechnet die sein? Das kann nicht gut sein für das neudeutsche Projekt Emanzipation. Am Ende wird es heißen: Ihr Frauen könnt es eben doch nicht. Aber nein, stimmt nicht, kann man dann nur ausrufen. Eine andere hätte es für uns geschafft.
Was vertritt sie doch gleich für Positionen zu den Themen, die mir am Herzen liegen? Die gleichen wie die zu denen, die mir nicht am Herzen liegen: nämlich gar keine. Obschon, nicht ungerecht sein: Zu dem Thema, das mir sehr am Herzen liegt, hat sie eine Meinung. Leider. Der EU-Beitritt der Türkei. Die bleiben mal schön draußen, sagt Merkel sich, das sind ja Muslime. Genau, sind sie. Ich auch. Na dann. Aber es waren ja schon immer diese CDUler, die mich ständig fragen, wann ich denn zurückgehe. Dabei bin ich bereits dorthin zurückgegangen, woher ich komme. Nach Köln. Von Berlin aus übrigens.
Lustig stelle ich mir ein Treffen zwischen Rafsandschani und Merkel vor. Er wird ihr, weil sie eine Frau ist, nicht die Hand schütteln wollen. Die Iraner sind eben einfach noch nicht reif für eine Frau als deutsche Kanzlerin. Und für eine iranische Präsidentin schon mal gar nicht. Gerade haben sie in meinem geschätzten Vaterland alle Kandidatinnen für das Präsidentschaftsamt mit dem Argument abgelehnt, dass sie Frauen seien. Aber sind meine deutschen Mitbürger reif für eine Kanzlerin?
Wie gut, dass ich die Doppelidentität, die die CDU mir unterstellt, doch nicht habe. Ich bin ganze Iranerin und ganze Deutsche – und nichts Halbes. Aber etwas sauer, dass die Mehrheit meiner deutschen und iranischen Mitbürger in den nächsten Monaten, die – wie ich finde – falschen Wahlentscheidungen treffen wird, bin ich durchaus. Andererseits: Was hat sie für Alternativen?