: „Verheerend niedrig“
PODIUMSDISKUSSION Das Verhältnis junger Menschen zu Europa und der EU wird näher beleuchtet
■ 51, arbeitet in der Forschungsgruppe „Jugend und Europa“ des Centrums für angewandte Politikforschung.
taz: Sie diskutieren heute über „Jugend in Europa“. Gibt es denn so etwas wie eine europäische Jugend, Frau Tham?
Barbara Tham: Wenn sie sich selbst definiert: Nein. Ein gemeinsames europäisches Jugendbewusstsein, das man von anderen Bevölkerungsgruppen unterscheiden könnte, gibt es bisher nicht. Dazu ist die Jugend schon in Deutschland zu vielfältig, sind die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Europa zu unterschiedlich. Gemeinsam ist den Jugendlichen, dass sie an der Schwelle von Schule und Beruf vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Und es gibt die mobilen jungen Akademiker, die auch im Ausland studieren, dort Freunde haben – aber das ist eine kleinere Gruppe.
Gibts ein gemeinsames Gefühl junger Menschen zu Europa?
Sie fühlen sich zwar als Bürger der EU – aber das ist sehr abstrakt. Wenn man sie fragt, was das bedeutet, wird es oft schwierig, etwas Konkretes zu benennen. Im Alltag hier denken viele da nicht so drüber nach.
Meist haperts ja schon am Grundwissen über die EU ...
Dem kann ich nur zustimmen. Da gibt es große Defizite, schon wenn es darum geht, wie deutsche Politik funktioniert. Viele wissen nur wenig über Aufbau, Ziele und Funktionsweise der Europäischen Union, in der Schule kommt das Thema meist noch zu kurz. Es gibt zwar Ansätze, es ist auch nicht unmöglich, das zu vermitteln – aber gelebter Alltag ist es nicht.
Wie kann man das ändern?
Man muss vor allem erlebbare Angebote schaffen – und weniger auf konfrontatives, abfragbares Wissen setzen. Die Jugendlichen müssen selbst etwas erfahren und gestalten können, beispielsweise in Workshops oder Planspielen. Das wirkt meist am intensivsten.
Wie kann man angesichts dessen wirksame Jugendpartizipation in Europa organisieren?
Wo es an Wissen, Angeboten und Möglichkeiten fehlt, gelingt Partizipation nur schwer. Die Beteiligung der ErstwählerInnen an den Europawahlen ist verheerend niedrig. Viele würden vielleicht aktiv werden, wissen aber nicht wie und wo. Die EU versucht, das jetzt anzugehen, steht da aber noch am Anfang.Interview: JAN ZIER
19 Uhr, Europa-Punkt-Bremen im Haus der Bremischen Bürgerschaft