: Bezirksämter mähen Gärtner um
Die Bezirksämter streichen immer mehr feste Stellen bei der Pflege der städtischen Grünanlagen. Gleichzeitig sollen hier 1-Euro-Jobber Dienst tun. Gewerkschaft Ver.di will gegen diese Praxis klagen
VON RICHARD ROTHER
1-Euro-Jobber gefährden die Arbeitsplätze Berliner Gärtner und Grünanlagenpfleger. Das befürchtet die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Die Zahlen scheinen der Gewerkschaft Recht zu geben: Während immer mehr Stellen in den bezirklichen Grünflächenämtern verschwinden, sollen immer mehr Empfänger von Arbeitslosengeld II für den Billiglohn in Parks und auf Wiesen Dienst tun.
Seit 1994 wurden nach Gewerkschaftsangaben mehr als 1.000 Stellen für die Grünpflege in den Bezirken abgebaut, zurzeit sind noch rund 2.500 Stellen vorhanden. Rund 1.400 Jobs und rund 150 Ausbildungsstellen wären in Gefahr, befürchtet die Gewerkschaft, wenn der rot-rote Senat seine Pläne für eine Neustrukturierung der Grünanlagenpflege in den Bezirken umsetzt. Seit Jahresbeginn würden aber immer mehr 1-Euro-Jobber in diesem Bereich eingesetzt, kritisiert die Gewerkschaft. Zurzeit sollen es bereits 5.000 sein, schätzt Ver.di nach einer Rundumfrage bei Personalräten.
„Es drängt sich die Vermutung auf, dass es ein großes Interesse der öffentlichen Hand gibt, reguläre Arbeitskräfte durch Billigjobber zu ersetzen, um Kosten zu sparen“, kritisierte gestern Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen. Die Gewerkschaft sei zwar bereit, zur Kosteneinsparung an einer Neuorganisation der Grünanlagenpflege mitzuwirken, aber er müsse als öffentliche Dienstleistung erhalten bleiben.
Kathrin Benke, Personalrätin in Marzahn-Hellersdorf, kann den Einsatz von 1-Euro-Jobbern nicht verstehen. Das Geld, das für die vielen Billigarbeiter ausgegeben werde, könne dafür verwendet werden, reguläre Jobs bei der Grünanlagenpflege zu schaffen. „Die Arbeit ist doch da.“
Zudem kritisiert Benke die so genannte Positivliste, mit der Senat und Wirtschaftsverbände Einsatzgebiete für 1-Euro-Jobber definieren. Das Rupfen von Unkraut auf Wegen oder die Überprüfung von Geräten auf Spielplätzen etwa seien Arbeiten für Fachkräfte. „Was passiert, wenn ein Kind auf einem Spielplatz zu Schaden kommt, den sich ein unqualifizierter 1-Euro-Jobber angeguckt hat?“, fragt Benke.
Mitte Mai hatten sich Senat, Wirtschaft und Arbeitsagentur auf die so genannte Positivliste geeigneter Arbeitsfelder für 1-Euro-Jobs verständigt. Damit soll der Missbrauch unterbunden werden.
Die Gewerkschaften wollten diese Vereinbarung nicht mittragen, weil die „Trennschärfe zwischen Regel- und zusätzlichen Tätigkeiten“ fehlt, so Stumpenhusen. Ver.di will sich gegen die Genehmigung von 1-Euro-Jobs, die reguläre Arbeitsplätze verdrängen, auch juristisch zur Wehr setzen. Wenn der Nachweis gelinge, dass damit reguläre Arbeitsplätze vernichtet würden, seien Klagen nicht ausgeschlossen, so Landeschefin Stumpenhusen. Insgesamt sind in Berlin in diesem Jahr rund 35.000 1-Euro-Jobs geplant.