: Das gute Leben im Korb
KONSUM Der Inhalt des Einkaufskorbs spiegelt politische Ideale wider. Konsumenten müssen ihre Entscheidungsmacht nutzen
VON PETER MÖHRINGER
Was nützt das gute Leben in Gedanken – von einer erneuerbaren Energieversorgung zu träumen, aber trotzdem sein Teewasser mit dem Atomstrom von RWE zu erhitzen? Nichts. Denn das gute Leben kann nur gelingen, wenn Ideal und Handeln im Einklang sind. Der Kauf eines Produkts ist nicht dessen Erwerb, wie es im BWL-Sprech heißt, sondern eine politische Handlung.
Ein Beispiel: Jede gekaufte taz-Ausgabe ist auch eine Investition in unabhängige Artikel. Doch es scheint, dass viele Menschen ihre Konsummacht nicht nutzen – obwohl sie die Ideale ihres guten Lebens propagieren. Es passt nicht zusammen, morgens Kakao zu trinken, der mit Hilfe von Kinder- oder Sklavenarbeit hergestellt wurde, und gleichzeitig für faire Arbeitsbedingungen einzutreten. Genauso wenig können wir uns damit abfinden, fairen Kaffee bei der unterbezahlten Kassiererin zu kaufen. Auch ein selbst erklärter Pazifist führt seine Ideale ad absurdum, wenn er in Fonds mit Anteilen in Rüstungsfirmen investiert. Welche Formen der Rendite sind es, die den eigenen ethischen Ansprüchen genügen? Dividenden sind abzuwägen gegen Beteiligungen in Genossenschaften und lokalen Initiativen. Investitionen in die Pressefreiheit, ein Grundpfeiler der Demokratie, oder in die Energiewende sind zwar nicht unbedingt finanziell attraktiv. Doch sie lassen sich mit dem Anspruch des guten Lebens in Einklang bringen. Wie wäre es also nun mit einem konsumistischen Imperativ, angelehnt an Kant? Versuche stets das zu kaufen, das deiner Idee des guten Lebens am nächsten kommt. Der Warenkorb würde somit zum Lackmustest für die eigene Übereinstimmung von ethischem Anspruch und Wirklichkeit.
Natürlich, Konsumentscheidungen allein können nicht die Welt verändern. Die lakonischen Kommentare sind oft die gleichen: Solange ihr im Westen die Pflastersteine so billig wollt, so lange werden Kinder die Steine klopfen. Wenn KonsumentInnen bereit sind, einen fairen Preis für würdige Arbeitsbedingungen zu zahlen, werden ausbeuterische Kinder- und Zwangsarbeit zwar nicht von heute auf morgen von der Erde verschwinden. Aber es werden wirtschaftliche Anreize für andere, nachhaltige Geschäftsmodelle geschaffen. Das Problem: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Auch die demokratischste und fairste Produktionsweise wiegen mangelnde Qualität und umweltschädliche Produktion nicht auf. Heißt: Fair gehandelter Kaffee muss auch gut schmecken und sich auf dem Markt behaupten können. Ausreden, dass wir nicht genau wissen, wie Produkte hergestellt werden, zählen immer weniger: Verbraucherinformationen und der technische Fortschritt ermöglichen, dass sich der Konsument zukünftig schnell und umfassend informieren kann. Dabei ist klar: Politischer Konsum soll und kann den politischen Prozess nicht ersetzen, der sich unter anderem mit Handelsbedingungen, allgemeinverbindlichen Mindeststandards und Verteilungsfragen auseinandersetzt. Politik und Gesellschaft sind gefordert, sich um jene zu kümmern, die sich finanziell nicht das gute Leben im Einkaufskorb leisten können. Wir sollten uns an Gandhis Worten orientieren: Sei der Wandel in der Welt, den du selbst sehen willst.
■ Peter Möhringer, 27, Köln, NGO-Berater, taz-Genosse seit 2011