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Archiv-Artikel

Arztbesuch: kostenfrei

In Köln werden Patienten ohne Papiere behandelt

Ab sofort gibt es in Köln eine Arztpraxis für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus: Die „Malteser Migranten Medizin“ (MMM) bietet jedermann eine medizinische Hilfe und Beratung – das Angebot richtet sich auch an Deutsche ohne Krankenversicherung . „Es gibt drei schwere Nöte, in die ein Mensch kommen kann: Armut, Krankheit und Fremdsein“, sagt der geschäftsführende Präsident des Malteser Hilfsdienstes, Johannes Freiherr Heereman: Es sei eine Frage der christlichen Nächstenliebe den Betroffenen dabei zu helfen, ihre unveräußerlichen Rechte und ihre Würde zu bewahren. Vorbild für die Kölner „Malteser Migranten Medizin“ ist eine gleichnamige Einrichtung in Berlin. Menschen ohne Krankenversicherung werden dort seit 2001 von den Maltesern behandelt.

Der Bedarf an kostenloser medizinischer Hilfe ist seither auch unter Deutschen gestiegen, weiß Angelika Haentjes-Boergers, Abteilungsleiterin Migration der Malteser: Ob Studenten, Kleinunternehmer oder Menschen, die wegen der Hartz-Gesetze aus der gesetzlichen Krankenversicherung gefallen sind: Inzwischen seien 15 Prozent der Patienten im Berliner MMM Deutsche ohne Krankenversicherung. Es sei deshalb durchaus möglich, dass die Malteser in absehbarer Zeit auch in anderen Städten Nordrhein-Westfalens Migranten-Medizin-Stellen eröffnen, so Haentjes-Boergers.

Die neue Einrichtung in Köln ist im Westen ein Novum. Bislang gibt es für die „Papierlosen“ etwa in Bochum, Wuppertal oder Bonn nur die Netzwerke der „medizinischen Flüchtlingshilfe“. In den von Vereinen getragenen Beratungsstellen werden Migranten, Flüchtlinge und Illegale an Ärzte vermittelt, die sich bereit erklärt haben, kostenlos Hilfe zu leisten. Neu ist nun, dass ein großer Wohlfahrtsverband wie die Malteser in die medizinische Hilfe für Illegale einsteigt, erklärte Benita Suwelack vom Flüchtlingsrat NRW der taz. „Richtig klasse“, findet sie die neue Einrichtung, „auch weil wir in Köln bislang noch eine Versorgungslücke hatten“.

Politisch interessant wird die Gründung der MMM auch deshalb, weil sich die Malteser mit der Kölner Stadtspitze offenbar auf ein Stillhalteabkommen geeinigt haben: Voraussichtlich werden die Katholiken nicht durch staatliche Nachstellungen der Ausländerbehörde behelligt werden.

Derweil erscheinen in Bonn die Zeiten des liberalen Umgangs mit Illegalen vorüber: Die Stadt fordert seit kurzem ihre Mitarbeiter etwa in Kindergärten auf, „illegale“ Kinder zu melden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter des Jugendamtes wegen „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“. Gegen diese Verschärfung der Lebensbedingungen für Illegale in der Bundesstadt hat die Initiative MediNetzBonn eine Unterschriftenaktion gestartet. Mehrere hundert Menschen haben sich dem Protest bereits angeschlossen. SUSANNE GANNOTT