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Archiv-Artikel

Nächtliche Jagd auf Straßendiebe

In Westafrikas Sahelzone nimmt die organisierte Kriminalität zu. Burkina Fasos Regierung schafft es bislang nicht, des Phänomens Straßenraub Herr zu werden

OUAGADOUGOU taz ■ Es war wie eine Szene aus einem Actionfilm. Ein Baumstamm, quer über die Straße gelegt, zwang den Überlandbus aus Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou in die Handelsstadt Bobo Dioulasso zum Stopp. 30 bewaffnete Männer sprangen aus dem Busch und liefen auf den Bus zu. „Die Gendarmen, die den Bus eskortierten, sagten uns, wir sollten uns ducken“, erinnert sich einer der 70 Fahrgäste. Es kam zu einem Schusswechsel. Mehrere Menschen wurden verletzt. Fünf Kilometer legte der Bus schließlich im Rückwärtsgang zurück, von Kugeln durchlöchert, um sich in Sicherheit zu bringen.

Straßenräuber, bewaffnete Raubüberfälle auf Autos, Viehdiebstahl, Angriffe auf ganze Dörfer – die Unsicherheit in Burkina Faso nimmt zu, ebenso wie in anderen Ländern der Sahelregion bis nach Kamerun. In ganzen Landstrichen haben Banditen die Macht über die Verkehrsadern. Wer Opfer wird, muss sein Fahrzeug verlassen, sich auf dem Boden ausstrecken und stillhalten, während die Diebe alles von Wert an sich nehmen. Manchmal dauern diese Überfälle mehrere Stunden. Sogar ein Armeefahrzeug wurde im März Opfer der Straßenräuber.

So lassen nun die großen Verkehrsgesellschaften des Landes ihre Fahrzeuge von der Gendarmerie eskortieren. Jeder Fahrgast wird vorher durchsucht und muss sein Handy auszuschalten – es könnte ja ein Komplize der Räuber darunter sein, der seine Freunde vorab informieren will, wenn der Bus sich dem geplanten Überfallort nähert. Dann setzen sich die Gendarme in den Bus, ausgestattet mit kugelsicheren Westen und Kalaschnikows.

Aber der geschilderte Überfall zeigt die Grenzen dieser Methode auf. Die Banditen sind immer besser organisiert und operieren vor allem nahe der Grenzen, über die sie sich zurückziehen können. Am schlimmsten ist die Lage im Osten, Richtung Niger, Benin und Togo. Dort finden die Überfälle sogar tagsüber statt.

International ist bekannt, dass Bürgerkriegsmilizen in Westafrika von einem Land ins andere ziehen – Sierra Leone, Liberia, die Elfenbeinküste. Dass dies auch die Kriminalität in den anderen Ländern der Region fördert, wurde selten wahrgenommen. Dabei gehen die wandernden Kriege Westafrikas auch mit einem florierenden Waffenschmuggel einher und der macht nicht vor friedlichen Ländern Halt.

Nährboden der bewaffneten Räuberstrukturen ist die Armut der Bevölkerung. In Burkina Faso kommt hinzu, dass das sehr arme Land mehrere hunderttausend Menschen burkinischer Abstammung aufnehmen musste, die aus der Elfenbeinküste hinausgeworfen wurden. Viele von ihnen haben keine andere Überlebensmöglichkeit als Kriminalität. Es gibt auch den Verdacht, dass manche Anführer von Straßenräubern gute Verbindungen im Staatsapparat haben.

Um der organisierten Kriminalität Herr zu werden, greift die Regierung von Präsident Blaise Compaoré auf Methoden aus alten Zeiten zurück, als noch Einparteiendiktatur und Ausnahmezustand herrschten. In „opérations coup de poing“ – Operation Faustschlag – gehen Militärs, Polizisten und Gendarmen gemeinsam nachts auf Verbrecherjagd. Sie suchen Verdächtige zu Hause auf, töten sie und legen die Leichen aus, damit die Öffentlichkeit sie tagsüber sieht. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das, aber die Verantwortlichen für innere Sicherheit widersprechen. „Mit den ‚Operationen Faustschlag‘ konnten wir die Kriminalitätsrate senken“, sagt Burkinas Sicherheitsminister, Oberst Djibril Bassolet. In Umfragen unterstützt eine große Mehrheit diesen Kurs.

Bassolet hat nun eine massive Rekrutierungskampagne für die Sicherheitskräfte gestartet und will eine „Nachbarschaftspolizei“ gründen. Aber was fehlt, sind Geld und Ausrüstung.

Im Februar demonstrierten hunderte Polizisten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld – ihr Tagessatz ist von 1.000 auf 300 CFA-Franc (etwa 0,50 Euro) gesunken. Sie wollten pro Beamter eine Pistole, einen Satz Handschellen und eine Trillerpfeife. Andere Polizisten, die über Tränengas verfügten, schlugen die Demonstration nieder. 500 Beamte wurden entlassen, der nationale Polizeichef gekündigt. So effektiv wünschen sich die Menschen auch den Kampf gegen das Verbrechertum.

BAGASSI KOURA