: Studis vertrauen auf reiche Eltern
Dresdens angehende Akademiker sind demomüde. Weit weniger als erwartet protestierten gestern gegen die Aussicht auf ein Bezahlstudium. Vielen erscheint die Einführung von Studiengebühren offensichtlich noch nicht als konkrete Gefahr
AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH
Die Organisatoren waren enttäuscht: Es kamen bei weitem nicht die angekündigten 7.000 sächsischen Studenten nach Dresden, um gegen drohende Studiengebühren zu protestieren. Lediglich um die 3.000 Demonstranten, vor allem aus den Unistädten Leipzig, Dresden, Chemnitz und Freiberg, hatten sich gestern auf dem Uni-Campus versammelt.
Die Dresdner Aktion war Teil eines bundesweiten Protesttages für freien Bildungszugang mit weiteren Demos in Halle, Frankfurt, Potsdam und Hannover. Insgesamt nahmen rund 10.000 Menschen an den Aktionen teil.
Nur mit geringem Erfolg zogen „Agitatoren“ mit Trillerpfeifen und Transparenten durch die Dresdner Mensa, um spontane Teilnehmer zu werben. Lehrveranstaltungen gingen zu dieser Mittagszeit vor. Nicht einmal eine arme Studentin aus kinderreicher Familie, deren Bruder bei Studiengebühren wahrscheinlich nicht mehr studieren könnte, wollte sich beteiligen. Noch ist die Bedrohung trotz des Karlsruher Gebührenurteils vom Januar nicht konkret. „Der letzte Druck fehlt“, räumten einige Teilnehmer ein.
Dennoch nahm sich der etwa 500 Meter lange Zug über Dresdens Hauptverkehrsader ganz imposant aus. „Reiche Eltern für alle“ forderte ein Transparent. Und auf einer Fotocollage versprachen Jürgen Rüttgers und Angela Merkel einander, in Nordrhein-Westfalen Studiengebühren einzuführen und das Bafög abzuschaffen.
Dass die Studierenden mit ihren Protesten Erfolg haben werden, ist indes unwahrscheinlich. Denn Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) lässt vor allem seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen keine Gelegenheit aus, für Studiengebühren zu plädieren und damit gegen den Koalitionsvertrag in Sachsen zu stänkern. Erst in der Vorwoche hatte er sich an der Bergakademie Freiberg unter Verweis auf die Parkplätze vor den Hochschulen und Wohnheimen so geäußert.
Die Situation ist pikant, denn einerseits gehörte Sachsen zu den Klägerländern vor dem Bundesverfassungsgericht. Andererseits akzeptierte die CDU im Koalitionsvertrag nach der Herbstwahl 2004 die SPD-Position, von Gebühren abzusehen. Das Wissenschaftsressort in Sachsen besetzt die SPD, und Ministerin Barbara Ludwig hat sich bislang auch an diese klare Linie gehalten. Gestern nun war sie wegen der Teilnahme an der Kultusministerkonferenz am Reden vor den Demonstranten gehindert, ein anderer SPD-Redner fand sich nicht.
Eine verpasste Chance, so sah es auch die vertretene politische Konkurrenz von PDS und Bündnisgrünen, die mit ihrer Ablehnung von Studiengebühren Beifall von den Protestierenden erhielt. „Aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau darf keine Anstalt für Bildungsabbau werden“, forderte beispielsweise der grüne Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Gerstenberg mit Blick auf die angedachten Studienkredite. Zugleich kündigte er an, der sächsischen SPD-Ministerin den Rücken stärken zu wollen.