: Es war was faul im Staate Dänemark
AUFKLÄRUNG „Die Königin und der Leibarzt“ von Nikolaj Arcel handelt von der frühen Blüte der bürgerlichen Freiheiten im Dänemark des 18. Jahrhunderts, die leider blutig endete
VON WILFRIED HIPPEN
Fast jede Monarchie wurde einmal von einem verrückten König regiert. Die Bayern hatten ihren geliebten „Kini“ Ludwig, die Briten George III. und die Dänen Christian VII. Von ihren Regentschaften können natürlich die schönsten Geschichten erzählt werden, und an ihren Mythen wird auch heute noch kräftig gestrickt. In der skandinavischen Version ist der König allerdings eher eine Nebenfigur, wie auch schon der Titel des Romans „Der Besuch des Leibarztes“ belegt, den Per Olov Enquist über diese Phase der dänischen Geschichte geschrieben hat. Tatsächlich ist der deutsche Mediziner Johann Friedrich Struensee die faszinierende Person in dieser Geschichte, die 1957 schon einmal unter dem Titel „Herrscher ohne Krone“ mit O.W. Fischer als Struensee und Horst Buchholz in der Rolle des wirren Königs verfilmt wurde.
Struensee wurde wegen seiner originellen Behandlungsmethoden zum Vertrauten des Königs, der von den anderen Ärzten mit ihren ständigen Aderlässen enttäuscht war. Zwischen 1770 und 1772 hatte er als Regent das Sagen im Lande, und begann eine Reihe von Reformen, die das damals noch nahezu mittelalterlich wirkende Land zu einem Modell der Aufklärung und bürgerlichen Freiheiten werden ließ. Damit schuf Struensee sich natürlich Feinde am Hof und in den konservativen Adelskreisen. Für ihre Intrigen mussten diese allerdings nicht allzu raffiniert vorgehen, denn Struensee machte es ihnen einfach. Er begann eine Liebesaffäre mit der Königin Caroline Mathilda, und als dies öffentlich bekannt wurde, war sein Ende unausweichlich. Er wurde auf das Rad geflochten, gevierteilt und geköpft. Während Enquist in seinem Buch diese Tortur fast unerträglich realistisch schildert, erspart der Regisseur Nikolaj Arcel dem Zuschauer in „En Kongelig Affaere“ dieses schreckliche Ende und beendet die Hinrichtungs-Sequenz schon nach dem schnellen Schnitt des Fallbeils.
Dies entspricht seinem Erzählstil, der eher klug distanziert als melodramatisch daherkommt. So beginnt der Film mit der todkranken Königin, die einen Brief an ihre Kinder schreibt, die sie als vom Hof verbannte nie wieder sehen wird. In diesem Brief schildert sie die Vorkommnisse, die dann in einer Abfolge von Rückblenden erzählt werden. Aus ihrer Perspektive steht natürlich die illegitime Liebesgeschichte im Mittelpunkt, und die politischen Umwälzungen des Landes bilden dafür eher die Kulisse. Doch Arcel gelingt es, beiden Ebenen gerecht zu werden, indem er immer nah an den handelnden Figuren bleibt. Und da er zudem sehr klar und pointiert erzählen kann, gehen auch solche Details wie die historisch verbürgte „fanmail“ von Voltaire an den König nicht verloren.
Ein romantischer Ausritt von Königin und Leibarzt endet etwa in einer brutalen Szene, in der sie auf die blutige Leiche eines Leibeigenen stoßen, der von seinem Herren für eine Bagatelle auf dem „hölzernen Pferd“ totgepeitscht wurde. Auch wegen solcher geschickt gesetzten Wendepunkte wurde der Film auf der Berlinale für das beste Drehbuch prämiert. Mikkel Boe Folsgaard bekam einen zweiten Bären für seine Darstellung des Königs. Die Irren und Seltsamen sind halt die dankbarsten und höchstprämierten Rollen. Dabei tragen Alicia Vikander und vor allem Mads Mikkelsen den Film. Sie als eine sensible, moderne Aristokratin, die vom weltgewandten britischen Hof in die düstere dänische Provinz verheiratet wird und in Struensee einen Seelenverwandten erkennt, er als ein liberaler Geist, dessen Idealismus droht, durch Macht und Sex korrumpiert zu werden. Übrigens beginnt der Film in Altona, das damals zum dänischen Königreich gehörte. Und am Schluss wird die Königin dann ausgerechnet nach Celle in die Verbannung geschickt. Niedersachsen scheint damals das Sibirien Dänemarks gewesen zu sein.