: Alles wird gut wie in Down Under
betr.: „Die Einserschülerin“, Das Schlagloch von Kerstin Decker, taz vom 1. 6. 05
Der Satz von Kerstin Deckers Bekannten eines Bekannten kommt mir verdammt bekannt vor: „… dann wandere ich aus.“ Wir haben es wahr gemacht und leben seit anderthalb Jahren in Australien. Und so sieht in Down Under die soziale Wirklichkeit aus:
Laut „Australian Bureau of Statistics“ schlagen sich ein Viertel der männlichen Arbeitnehmer und ein Drittel der Frauen mit Gelegenheitsjobs durch, ohne Sicherheiten wie etwa Anspruch auf Firmenbeteiligung bei der Rentenversorgung. Auch Ich-AGs treiben hier seltsame Blüten. So kann man sich hier in diverse Franchise-Ketten einkaufen und mit mobilen Schönheitsstudios oder gar rollenden Hundepflegesalons von Haus zu Haus ziehen. „Centrelink“, die australische Agentur für Arbeit, hat zudem Hartz IV schon lange eingeführt. Das Projekt „Work for The Dole“, übersetzt mit „Arbeit für die Stütze“, hat längst die in Deutschland befürchteten Ausmaße der Ein-Euro-Jobs angenommen, auf Kosten regulärer Arbeitsplätze. Job-Suchende, ob alt oder jung, geborene Australier oder Einwanderer, sollten am besten ehrenamtliche Tätigkeiten im Lebenslauf stehen haben. Dieser Trend zu indirekter Zwangsarbeit wird freilich gnadenlos ausgenützt. Immer wieder bekommt man Jobs angeboten, leider ohne Lohn. „Das ist immerhin ein Pluspunkt im Curriculum“ ist dann die Standardantwort. Apropos Jugendarbeitslosigkeit: Unter Vorwänden werden 21-Jährige aus ihren Gelegenheitsjobs entlassen, weil ab dieser Altersgrenze ein höherer Stundenlohn gilt. Die Folge: In den großen Ladenketten wie Woolworth, Coles oder K-mart füllen 15-Jährige die Warenregale für ein Taschengeld von vielleicht 6 Dollar die Stunde (etwa 3,50 Euro). Derweil ist Premierminister John Howard gerade munter dabei, die Rechte der Gewerkschaften vollends zu zerschlagen. In diesem Sinne führt unser neoliberales Alphatier das Erbe seiner englischen Exkollegin Margaret Thatcher konsequent fort. Tja, liebe Auswanderungswillige, bleibt lieber, wo ihr seid, wählt Maggie Merkel, und alles wird so gut wie in Down Under. ILONA CROTOGINO, Waikiki, Australien