: Was würde Adam Riese dazu sagen?
betr.: „Die Mehrwertsteuer steigt vielleicht nicht“, „Schon wieder der falsche Weg?“, Kommentar von Reiner Metzger, „Gewinner und Verlierer einer zukünftigen Steuerpolitik“, taz vom 1. 6. 05
Die Union will offenbar die von Schröder begonnene Umverteilung der Vermögen von unten nach oben fortsetzen, nämlich die weitere Senkung des Spitzensteuersatzes. Dabei wird so getan, als ob dies gerecht sei, wenn in gleichem Maß der Eingangssteuersatz gesenkt wird. Sie ist aber das Gegenteil von Gerechtigkeit. Denn auch die Reichsten profitieren vom gesenkten Eingangssteuersatz, und zwar mindestens so viel wie Geringverdiener und viel mehr sogar als Mindestlohnempfänger, weil das Existenzminimum ja gar nicht besteuert werden darf.
Bei der Senkung des Spitzensteuersatzes kassieren aber die Spitzenverdiener allein. Warum macht kaum eine Zeitung auf diese schreiende Ungerechtigkeit aufmerksam? Weil die Medien alle in der Hand der Besserverdienenden sind? Wo bleibt die (christliche oder soziale) Moral der Journalisten?
Wenn dem Staat das Geld ausgeht, müssen natürlich alle den Gürtel enger schnallen. Normal wäre, wenn die Reichen entsprechend ihrem Vermögen und Einkommen etwas mehr opfern würden. Kein Verständnis, sondern nur Wut können aber Parteien und Politiker erwarten, wenn durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die auch die Ärmsten der Armen trifft, eine Senkung des Spitzensteuersatzes oder der Körperschaftsteuer finanziert werden würde.
MARTIN WEISS, Günzburg
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer soll eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ermöglichen, um damit die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Laut Ulrike Herrmann wäre dies aber nur ein kurzzeitiger Effekt, da niedrigere Sozialabgaben höhere Tarifabschlüsse ermöglichen würden. Wenn man die Ergebnisse von Tarifverhandlungen als Ausdruck der Machtverhältnisse zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern betrachtet, ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit kaum mit deutlichen Lohnerhöhungen zu rechnen. Dies umso mehr, da Union und FDP die weitere Schwächung der Gewerkschaften zum vorrangigen Ziel ihrer Politik erklärt haben. Bei den Arbeitnehmern wird also bestenfalls die Hälfte der Belastungen durch die höhere Mehrwertsteuer durch sinkende Sozialabgaben ausgeglichen. Arbeitslose und die meisten Rentner erhalten gar keinen Ausgleich. Die deutsche Wirtschaft ist auf den internationalen Märkten voll konkurrenzfähig. Es fehlt die Nachfrage auf dem Binnenmarkt. Eine Mehrwertsteuererhöhung ist immer unsozial. In Deutschland auch deshalb, weil sie weitere Arbeitsplätze z. B. im Einzelhandel vernichten wird. ULRICH SEDLACZEK
Wie Reiner Metzger in seinem Kommentar zur Mehrwertsteuererhöhung (gestern) richtig schreibt, macht diese „alle Güter und Umsätze teurer“. Doch unterschätzt der Kommentator den parteipolitischen Coup, den Merkel damit landen würde. Nachdem sich die SPD ihres Regierungsanspruchs mangels Sozialem an des Kanzlers Politik längst selbst beraubt hat, macht die Kanzlerin damit auch die grüne Regierungsbeteiligung überflüssig.
Klar, denn die Mehrwertsteuer ist die beste Ökosteuer! Verteuerte Güter werden weniger konsumiert und damit weniger Energie und Rohstoffe verbraucht. Ein Ende des ökologisch desaströsen Wachstumswahns. „So einfach geht das!“, möchte man den fliehenden Rot-Grünen hinterherschmettern, bliebe dabei nicht die Frage, wie denn aus weniger Konsum neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Oder die gähnenden Haushaltslöcher gestopft werden. Schließlich zahlen die höhere Mehrwertsteuer zwar alle Konsumenten, aber gleichzeitig sollen erneut die Steuern der Spitzenverdiener sinken, wo diese doch ihre Spitzenverdienste gar nicht ausgeben, sondern zwecks Zins und Zinseszins anlegen.
Was würde Adam Riese wohl dazu sagen? Vielleicht: „Vier von drei Politikern können nicht rechnen …“
THOMAS SELTMANN, Nürnberg
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