: Nebenjobs lohnen sich wieder
Der Bundestag regelt den Hinzuverdienst für Arbeitslose neu. Grundbetrag von 100 Euro bleibt anrechnungsfrei. Grüne loben das gesunkene Armutsrisiko für Alleinerziehende. Forscher fürchten, der geringe Lohnabstand könnte zum Problem werden
VON BARBARA DRIBBUSCH
Langzeitarbeitslose mit Nebenjob können künftig von ihrem hinzuverdienten Geld mehr behalten als bisher. Der Bundestag verabschiedete gestern eine Neuregelung, die von Rot-Grün und der Union auf dem „Jobgipfel“ verabredet worden war. Das Gesetz soll zum 1. Oktober in Kraft treten.
Nach der neuen Regelung für Empfänger von Arbeitslosengeld II bleiben vom Nebenverdienst grundsätzlich 100 Euro anrechnungsfrei. Vom darüberhinaus gehenden Einkommen werden noch mal 20 Prozent nicht angerechnet, dies gilt bis zu einer Einkommensgrenze von 800 Euro brutto. Vom Verdienst, der diese Grenze übersteigt, bleiben noch mal zehn Prozent anrechnungsfrei, bis zu einem Bruttoverdienst von 1.200 Euro für Alleinstehende und kinderlose Paare. Für allein Erziehende und Paare mit Kindern liegt die Kappungsgrenze bei 1.500 Euro. „Diese Hinzuverdienstgrenzen sollen die Initiative fördern, sich einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu suchen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Thea Dückert, der taz.
In der Praxis bedeutet die neue Regelung, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II schon mit einem kleinen Teilzeitjob ihren Lebensstandard spürbar verbessern können. Ein Langzeiterwerbsloser, der mit Unterkunftskosten und Arbeitslosengeld II rund 650 Euro an Transferleistung bekommt und mit einem Nebenjob 100 Euro im Monat hinzu verdient, verfügt dann über ein Nettogesamteinkommen von 750 Euro. Hat dieser Erwerbslose einen Minijob für 400 Euro, darf er davon 160 Euro behalten und kommt so auf ein Gesamteinkommen von netto 810 Euro – und das bei Arbeitszeiten von vielleicht nur 15 Stunden in der Woche. Eine ungelernte Verkäuferin mit 6 Euro Bruttostundenlohn müsste in Vollzeit ackern, um das gleiche Nettoeinkommen nach Hause zu bringen.
Im Lohnabstand sehen Arbeitsmarktexperten daher auch das Problem. Die neuen Hinzuverdienstgrenzen „verringern den Anreiz, sich einen Vollzeitjob im Niedriglohnbereich zu suchen“, erklärte Hilmar Schneider von Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Die Grünen betrachten das anders. Die neuen Hinzuverdienstregelungen „mindern das Armutsrisiko für allein Erziehende und Frauen, die nur einen Teilzeitjob auf dem ersten Arbeitsmarkt finden“, sagte Dückert. Nach den bisherigen Regelungen zu Hartz IV konnten allein Erziehende, die einen Teilzeitjob hatten, weniger von diesem Geld behalten als in früheren Jahren. Dies hatte für heftige Proteste gesorgt.
Im Jahr 2004 hatten nur knapp 600.000 Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gleichzeitig einen Minijob mit einem Verdienst von höchstens 400 Euro. Nach einer Hochrechnung des Nürnberger IAB-Instituts von 2001 verfügte nur jeder fünfte Arbeitslosenhilfeempfänger über eine zusätzliche geringfügige Beschäftigung. Vom Nebenverdienst blieben damals 165 Euro anrechnungsfrei. Interessanterweise hatten die meisten Langzeitarbeitslosen Nebenjobs, die kaum mehr einbrachten als eben diesen Freibetrag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen