: „Meine Spieler sind auf einmal interessant“
Team der Woche: Der MSV Neuruppin wollte in die Fußball-Regionalliga. Doch die beiden Relegationsspiele gegen Carl Zeiss Jena gingen verloren. Damit ist auch das Erfolgsmodell des Märkischen Sportvereins in Gefahr geraten
„Ändere nichts, wenn du verlierst, denn Niederlagen gehören auf dem Weg zum Erfolg dazu.“ Diesen Spruch hat einst die russische Trainerlegende Valeri Lobanowski geprägt und damit allen von ihrem Konzept überzeugten Fußballlehrern eine Art apostolischen Segen erteilt. Unabhängig davon, ob Christian Schreier in den zurückliegenden Tagen auf dieses Zitat gestoßen ist, der Trainer des MSV Neuruppin hat den Inhalt der Worte in jedem Fall verinnerlicht. Entsprechend unaufgeregt ließ der 46-jährige Coach, der sich als Spieler von Bayer Leverkusen sogar im Glanz des Uefa-Cups spiegeln konnte, das Geschehen am Samstagnachmittag im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld über sich ergehen.
Kein Wort zum Schiedsrichter, der das Relegationsrückspiel zum Aufstieg in die Regionalliga zwischen dem Oberliga-Süd-Staffelsieger Carl Zeiss Jena und dem Nord-Qualifikanten Neuruppin zwei Minuten zu früh abgepfiffen hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits hunderte der insgesamt 10.150 Fans des Thüringer Traditionsvereins über die Zäune geklettert, um nur einen Schritt abseits des Feldes dabei zu sein, wenn sich ihr Verein nach vier Jahren aus der Verdammnis Fußball-Oberliga befreien konnte.
Neuruppin hatte nach der klaren 0:2-Heimniederlage im Hinspiel vor einer Woche auswärts auf einen frühes Tor gesetzt. Doch das fiel nicht. Es bot sich noch nicht einmal eine Chance dazu. Stattdessen lag Jena bereits nach einer halben Stunde mit 2:0 in Führung. Das Spiel war früh entschieden. Der Anschlusstreffer durch Markus Zschiesche in Minute 61 blieb nicht mehr als Kosmetik.
Trainer Schreier stand in beiden Spielen auf verlorenen Posten und wusste um diese Rolle. So mischten sich bereits in den Tagen zwischen Hin- und Rückspiel unter die lauten und gleichsam motivierenden Worte, dass auch in Jena noch eine Überraschung möglich sei, leisere Töne, mit denen der Fußballlehrer auch seine Bedenken gegenüber der Relegationsteilnahme und deren perspektivische Bedeutung zum Ausdruck brachte: „Die Zeiten sind vorbei, in denen wir in unserer Oberliga-Staffel unterschätzt wurden. In der nächsten Saison sind wir von Beginn an die Gejagten.“
In der abgelaufenen Serie wurde der Märkische Sportverein Neuruppin erst im letzten Drittel zu einem ernst zu nehmenden Verfolger des großen Aufstiegsaspiranten SV Babelsberg. Weil diese zu oft patzten und die Amateure von Hansa Rostock als eigentlicher Staffelsieger nicht aufsteigen wollten, ist nun sogar das gesamte „Erfolgsmodell Neuruppin“ in Gefahr geraten. Erste Warnsignale: Einzelne Spieler haben längst Anfragen von Ligakonkurrenten vorliegen. Mit Stürmer Salvatore Rogoli, der nach seinem bekannt gewordenen Wechsel zum Berliner AK am Wochenende nicht mehr im Kader auftauchte, steht der erste Abgang bereits fest. Torschütze Zschiesche wird unterdessen mit dem Regionalliga-Absteiger und dem neuen Liga-Flaggschiff Union Berlin in Verbindung gebracht.
„Gerade wegen des Abstiegs von Union Berlin wird es schwer, den diesjährigen Erfolg noch einmal zu wiederholen“, dämpfte Schreier schon das gewachsene Anspruchsdenken. Auch deshalb, weil er befürchten muss, in der kommenden Saison ohne die von ihm zusammengesuchten und bis dahin meist als gescheitert geltenden Talente dazustehen. „Meine Spieler sind auf einmal interessant geworden. Aber ich will hoffen, dass einige bleiben. Ansonsten müssen wir mit neuen hungrigen Jungs wieder von vorn anfangen“, sagte Schreier. Der Mann hat ein Konzept. Und daraus resultiert wohl auch die nötige Gelassenheit, auf dem Weg zum Erfolg Niederlagen wie am Samstag einzustecken.
MATHIAS LIEBING