Nein-Sager abgesägt

Frankreichs Sozialisten entfernen acht EU-Verfassungskritiker aus dem Parteivorstand. Vertreter der Parteilinken sprechen von einer „Hexenjad“

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Eine Woche nachdem eine Mehrheit der FranzösInnen – darunter 58 Prozent der sozialistischen WählerInnen – die EU-Verfassung abgelehnt haben, schlug am Wochenende in Paris der Apparat der PS zurück: Das Parlament der größten Oppositionspartei schmiss bei einer sechsstündigen Versammlung hinter verschlossenen Türen Expremier Laurent Fabius und sieben ihm nahe stehende GenossInnen, die Kampagnen gegen die EU-Verfassung gemacht hatten, aus dem Parteivorstand heraus. Zugleich holte die Parteispitze personelle Verstärkung für ihre eigene Linie.

Alle acht neuen Mitglieder des Vorstands gehören zu dem unterlegenen Oui-Lager. Einer von ihnen ist Manuel Valls. Er hatte monatelang gegen die EU-Verfassung gekämpft und war Anfang des Jahres in einer öffentlichen Kehrtwende auf die Linie von Parteichef François Hollande umgeschwenkt. Der neue Vorstand soll einen auf November vorgezogenen Sonderparteitag der PS vorbereiten. Dort gehe es, so Hollande, um das „strategische Projekt“ der PS. Im Hintergrund wird diese Programmdebatte jedoch von dieser Frage bestimmt werden: WelcheN KandidatIn schickt die PS im Jahr 2007 in das Rennen um die Staatspräsidentschaft ?

Fabius, bisher Nummer zwei der Partei, nahm seinen Rausschmiss mit Fassung hin. In seiner Rede vor dem nationalen Büro der Partei am Samstag verlangte er einen „Marshall-Plan“ für die neuen EU-Mitgliedsländer. Nach der Abstimmung, bei der 167 Mitglieder des nationalen Büros für seinen Rausschmiss stimmten – bei 122 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen –, wurde Fabius auf der Straße mit „Hipp, hipp, hurra“-Rufen empfangen. Nachdem er jahrelang den Ruf eines „sozialliberalen“ Genossen hatte, bekommt Fabius neuerdings auch Unterstützung von der Parteilinken.

Ex-PS-Chef Henri Emmanuelli sprach von einem „schwarzen Tag für die PS“. Er nennt die Unterstützung für die EU-Verfassung einen „historischen Fehler der europäischen Sozialdemokratie“. Weil er nicht im Parteivorstand sitzt, konnte er dafür am Samstag nicht persönlich bestraft werden. Ein anderer prominenter sozialistischer Non-Sager vergleicht die Reaktion der PS-Spitze mit jener der rechten französischen Regierung. „Der Apparat beleidigt die linken Wähler und rückt enger zusammen“, sagte PS-Senator Jean-Luc Mélenchon am Samstag in Paris: „Das ist ein tristes Spektakel.“ Arnaud Montebourg, Sprecher eines anderen linken Flügels, der weiter im Vorstand bleiben darf, nennt das Vorgehen gegen Fabius eine „Hexenjagd“. Parteiführer Hollande begründet den Rausschmiss, den er persönlich verlangt hat, mit Fabius’ Mangel an Disziplin. Er habe sich nicht an das Ergebnis der parteiinternen Abstimmung vom vergangenen Dezember gehalten, bei der 59 Prozent der 120.000 PS-Mitglieder für die EU-Verfassung gestimmt haben.

Der Reflex, mit dem die PS auf das Referendum reagiert, ähnelt dem Umgang der Partei mit der Niederlage, die ihr Kandidat Lionel Jospin im April 2002 bei den Präsidentenwahlen gegenüber dem Rechtsextremen Le Pen erlitt. Aus Unzufriedenheit mit den halbherzigen Reformen der rot-rosa-grünen Regierung hatten viele sozialistische WählerInnen den ersten Wahlgang genutzt, um Jospin abzumahnen. Manche taten es durch Stimmenthaltung, andere stimmten für eineN KandidatInn links von Jospin. Drei Jahre danach hat die PS jene Sanktion durch die eigene Basis weder analysiert noch in ihre Programmatik einbezogen. Statt einer kritischen Überprüfung der eigenen Politik spricht sie von einem Fehlverhalten der WählerInnen.