Aus für die Yorckstraße 59

Polizei räumt linksalternatives Hausprojekt in Kreuzberg. Damit endet nach 17 Jahren einesder größten noch existierenden Wohnprojekte der Stadt. Gegenseitige Schuldzuweisungen

VON FELIX LEE
UND PLUTONIA PLARRE

Für die Bewohner der Yorckstraße 59 ist der Traum ausgeträumt. Rund 500 Polizisten haben das linksalternative Hausprojekt gestern früh in Kreuzberg geräumt. Kaum waren die letzten Bewohner und Unterstützer aus dem Innenhof getragen, begann eine Baufirma im Auftrag des Eigentümers Marc Walter, das Hinterhaus des Gebäudekomplexes zuzumauern. Damit endete nach 17 Jahren eines der größten noch existierenden linken Haus- und Wohnprojekte der Stadt.

„Ich lebe seit neun Jahren in dem Haus, habe immer Miete gezahlt“, sagte der 39-jährige Jonas, der bis zuletzt auf eine politische Lösung gehofft hat. „Meine jetzt siebenjährige Tochter ist dort geboren.“ In der Yorck 59 lebten 60 Menschen, darunter elf Kinder. Es war auch Domizil für zahlreiche politische Initiativen.

Rund 250 SympathisantInnen hatten mit einer Sitzblockade den Hofeingang blockiert, als um vier Uhr morgens die Räumung begann. Unverhältnismäßig und zum Teil mit massiver Gewalt waren die Beamten zunächst gegen die friedlichen DemonstrantInnen vorgegangen. Es gab zahlreiche blutige Nasen und Prellungen. Bei der Räumung des Hauses selbst, in dem sich 150 Personen verschanzt hatten, verhielten sich die Beamten friedlicher. Die Räumung dauerte knapp vier Stunden.

Mit der Räumung sind endgültig die Bemühungen gescheitert, eine Lösung für die BewohnerInnen zu finden. Zum Schluss habe der Liegenschaftsfonds Mist gebaut, sagte Katja Krüger, eine ehemalige Bewohnerin. Nachdem der Eigentümer den Kontakt zu den Bewohnern abgebrochen hatte, hatten sich zahlreiche Politiker eingeschaltet. Ziel war es, ein günstiges Ersatzobjekt aus dem städtischen Liegenschaftsfonds anzubieten. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte von den BewohnerInnen als Gegenleistung eine schriftliche Zusage gefordert, das Haus in der Yorckstraße innerhalb von zwei Wochen freiwillig zu räumen. Ernsthaft im Gespräch war am Ende eine ehemalige Poliklinik in Friedrichshain. Doch vom zunächst zugesagten symbolischen Kaufpreis von 1 Euro war im Vorvertrag am Wochenende plötzlich keine Rede mehr. „Mit diesem Vertrag hätten wir unser eigenes Ende unterzeichnet“, so Krüger.

Die Reaktionen auf die Räumung schwankten zwischen Bedauern und Schuldzuweisung. „Ich finde es schade, dass die Mieter das Ersatzangebot nicht akzeptiert haben“, sagte Körting. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele dagegen kritisierte den Polizeieinsatz als falsch und überflüssig. Mit zwei Wochen mehr Zeit hätte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden können. Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), bot den Geräumten an: „Wenn sie eines der angebotenen Objekte erwerben wollen, könnte man darüber reden“.

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