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Archiv-Artikel

Auslandsgeheimdienst diskreditierte Kader

Vietnamesische KP-Funktionäre werfen ihrem Auslandsgeheimdienst innerparteilichen Machtmissbrauch vor

BERLIN taz ■ In Vietnams Hauptstadt Hanoi kursieren Flugblätter, die eine Auflösung des Auslandsgeheimdienstes Cuc Hai fordern. Die anonym vorgebrachten Forderungen sind bisheriger Höhepunkt einer Debatte um Cuc Hai, die nicht in Vietnams kontrollierten Medien, aber auf Webseiten von Exilgruppen zu lesen ist. Die beim Verteidigungsministerium angesiedelte Spionagetruppe habe sich verselbstständigt, missbrauche ihre Macht und sei das eigentliche Machtzentrum im Land, heißt es.

Es begann im Sommer 2004 mit einem Brief des Armeegeneralobersts Nam Khan an die Parteiführung, der ungewöhnlicherweise kürzlich auf Webseiten von Exilgruppen publiziert wurde. Darin fordert er Ermittlungen gegen Cuc Hai. Nam Khans Vorwürfe liegen weit zurück: 1983, so belegt er mit Quellen, hätte Cuc Hai Parteifunktionäre im benachbarten Kambodscha diffamiert. Vietnam hatte dort Truppen stationiert. Geständnisse der Kambodschaner seien durch Folter erpresst worden. Mehrere Opfer hätten Selbstmord begangen.

Zudem wirft Nam Khan dem Geheimdienst vor, im Vorfeld des 7. KP-Parteitages 1991 gezielt Desinformationen gegen Rivalen des damaligen Präsidenten Le Duc Anh gestreut zu haben. So wurde dem damaligen Parteichef und damaligen Innenminister unterstellt, mit CIA-Hilfe ein Komplott gegen den Präsidenten geplant zu haben. „Alles falsch!“, so Nam Khan. Der inzwischen aus Altersgründen abgelöste Präsident habe sich der Falschinformationen bedient, um seine Macht zu sichern.

Mehrere ZK-Mitglieder der herrschenden KP schlossen sich der Kritik halböffentlich an. Sie fordern in einem ebenfalls von Exilgruppen publizierten Manifest, Altpräsident Le Duc Anh seine Verdienste für Vietnam abzusprechen. Auch fordern sie staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Auslandsgeheimdienst und eine Begrenzung seiner Macht: „Eine solche Superorganisation, die über Partei und Regierung steht und von ihnen nicht kontrolliert wird, darf es nicht geben.“

Den Forderungen schließt sich ein prominentes Cuc-Hai-Opfer an: Generalleutnant Vo Nguyen Giap, der die Schlacht bei Dien Bien Phu 1954 gegen Frankreich siegreich geführt hatte. Ihm unterstellte Cuc Hai 1996, vom CIA gesteuert zu sein, um das Andenken Ho Chi Minhs zu unterlaufen.

Offiziell wird die Kritik in Hanoi bisher ignoriert. Doch während kürzlich der Cuc-Hai-Chef gar militärisch befördert wurde, berichten Insider jetzt von Schikanen gegen die aufmüpfigen Kader.

Dass die Kritik der Herren an Cuc Hai so populär ist, hat aktuelle Gründe: Denn der Auslandsgeheimdienst ist auch stark im Inland aktiv. Weil der Staat seinen Beamten keine den steigenden Lebenshaltungskosten angemessenen Gehälter zahlen kann, erlaubt er Nebenverdienste. Welche das bei Cuc Hai sind, ist offiziell nicht bekannt. Doch es ist sicher kein Zufall, dass Inkassounternehmer beim Schuldeneintreiben behaupten, Cuc-Hai-Mitarbeiter zu sein, um den Forderungen privater Gläubiger Nachdruck zu verleihen. MARINA MAI