: Bemerkenswert idiosynkratisch
FREESTYLE-ELEKTRONIK Ein Spaziergang war die Musik des Duos Mouse on Mars noch nie. Auch das aktuelle Album „Parastrophics“, das Erste seit sechs Jahren, bouncet, quietscht, zittert und groovt gewohnt originell
VON MICHAEL SAAGER
Die Platten des Freestyle-Elektronik-Duos Mouse On Mars muss man schon hören wollen. Und selbst dann, wenn man fest mit allem rechnet, sogar mit dem Unberechenbaren, heißt das nicht, dass es ein Spaziergang wird. Dass man während des Hörprozesses nicht mindestens einmal laut stöhnt, sich nicht ein paar Mal fragt, warum zur Hölle man sich das hier gerade wieder antut. Etwa, um eine Konzertankündigung zu schreiben.
Der letzte Hit von Mouse On Mars war nicht mal von Mouse On Mars, sondern Ergebnis einer Kooperation mit dem alten Grantler, begnadeten Trinker, Speed-Fresser und Alleinherrscher von The Fall, mit Mark E. Smith. Das Projekt aus dem Jahr 2007 hieß Von Südenfed, der Hit, „Fledermaus Can’t Get It“, war ein großartig primitiver Bouncer zwischen Punk-Bigbeat und Maximal-Electro, der dir die ganze Zeit ins Gesicht schrie: Dein Nachbar auf dem Dancefloor ist nicht dein Freund!
Geschichte. Oder? Normalerweise kläffen ja keine schlecht gelaunten alten Männer über die Tracks, die von den mittlerweile in Berlin lebenden Freunden Jan St. Werner und Andi Toma seit nunmehr 20 Jahren ausgetüftelt, geschraubt, in nächtelangen Sessions mit klitzekleinen Äuglein in- und auseinandergetobt werden. Doom-House, Future-Grind, Post-Techno oder Post-Post-Dubstep nennt sich das dann. Oder auch nicht.
Natürlich ging es Werner und Toma nie ums dicke Geld, das es auf dem Szene-Markt mit wohlfeiler, harmonisch-fetter Club-Musik eventuell zu verdienen gäbe. Natürlich ist auch „Parastrophics“, das erste richtige Mouse-On-Mars-Album der zwei sympathischen Quälgeister nach sechs Jahren, ein Beweis für ihren bemerkenswert idiosynkratischen Musikverstand, ihren enormen Freiheitsdrang.
So reißen die Tracks auf „Parastrophics“ viele kleine interessante, mitunter fiese Löcher in die Welt elektronischer Erwartungen. Dubstep, Ragga, Acid, Techno, HipHop werden grinsend auseinandergenommen, aber nicht zwingend wieder zusammengesetzt (wie der Schauspielschüler auf der Schauspielschule). Es bouncet, quietscht, zittert, groovt und klatscht massiv und soundtechnisch gewohnt originell. Wüsste man es nicht, würde man sagen, hey, klingt, als ob Mouse On Mars viel Spaß im Studio hatten. Spaß – in dieser seltsamen Mouse-On-Mars-Welt der tausend Einflüsse, die aber eigentlich nur ihre allein ist.
■ Fr, 27. 4., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66