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Archiv-Artikel

Einmal Moshpit Monster sein

KONZERTGLÜCK Edward Sharpe & The Magnetic Zeros spielten im Bang Bang Club. Alle schwitzten, verloren die Hemmungen und vergaßen sich selbst

Wie gut ein Konzert ist, hat ja oft gar nicht so viel mit der Musik der Band zu tun. Eigentlich geht es nur darum, ob man sich selbstvergessen, wild klatschend hingeben kann. Ob man aufhört, die Menschen um sich herum zu beobachten, und nur noch auf die Verheißungen der Bühne achtet. In jedem von uns steckt ein Am-Rande-Steher, doch in Wirklichkeit gehen wir auf ein Konzert, um zum nass geschwitzten Moshpit Monster zu werden.

Edward Sharpe & The Magnetic Zeros machen uns diese Verwandlung ziemlich einfach, indem sie sie vormachen, indem sie in der Musik verschwinden, die Körper zum Trommelschlag erzittern lassen. Spätestens wenn der am Anfang verhaltene Trompeter und Keyboarder ekstatisch auf die Pauke haut, hat man sich vergessen.

Neun Musiker und noch viel mehr Instrumente wuseln am schwülheißen Dienstagabend auf der Bühne des Bang Bang Clubs herum. Eigentlich wären es zehn. Aber die Sängerin Jade hat sich am Tag davor den Magen verdorben und liegt krank im Hotelzimmer. Sie habe in Amsterdam Pilze gegessen, erzählt der Pianist später. Und wie schade das sei, weil sie die schönste Stimme der Welt habe.

So singt eben heute Edward Sharpe, früher Alex Ebert, ohne seine Duettpartnerin. Und wenn man es nicht besser wüsste, würde das gar nicht auffallen. Sharpes Präsenz reicht aus, um eine Bühne allein zu füllen. Schnell kleben dem früheren Frontmann von Ima Robot die langen, braunen Haare auf der nackten Schulter, aus seinem Bart tropft es. Auch auf der kleinen Bühne springt er viel umher, tanzt im Publikum, reißt die Hände in die Höhe und hält sich das Tamburin wie einen Dornenkranz auf den Kopf. Ja, es stimmt, was die Leute sagen, diese Band ist sehr hippiesk. Eine verzauselte Familie, die selig lächelt und sich beim Spiel aneinander anlehnt. Das komplette Konzert über lächeln sich die Musiker genießerisch an, oder sie wechseln den Standort, um einem Bandkollegen einen Kuss auf den Kopf zu geben. Nach jedem Song stimmen sie ab, was als Nächstes zu spielen ist. Und dann folgen große Melodien, in denen sich die Musiker wiegen, psychedelische Loops, die sie mit geschlossenen Augen spielen, und betörende Stoner-Rock-Flächen, in deren Mitte der Zeremonienmeister Sharpe wirbelt.

In Los Angeles haben die Musiker ihr Album „Up From Below“ selbst produziert, die vielen Instrumente zu Hause aufgenommen und gemischt. Herausgekommen ist ein Album voll warmer Folk-Ideen und treibender Hippie-Pop-Instrumentalisierung, mit dem sie seitdem von Festivalgig zu Festivalgig ziehen. Manche sagen, ihre Musik erinnere an die frühen Beatles, aber natürlich sind sie ganz anders. Ganz eigen. Positiver vielleicht, verspielter und vielschichtiger vor allem.

Im Bang Bang Club tanzt und springt das sonst eher verhaltene Publikum und feuert mit „Olé, olé“-Rufen zur Zugabe auf. Es sind, der Hitze angemessen, nicht so viele Menschen gekommen, dass der Laden voll ist. Schade, möchte man doch, dass jeder diese großartige Band gesehen hat

Nach der Show strömen alle nach draußen, in die Nachtluft. Auch die Bandmitglieder stehen unter den S-Bahn-Gleisen. Sie schütten sich Wasser über die heißen Körper, schnorren Blättchen und Tabak und verschenken CDs. „How did you like the show?“, fragt Nico, der Gitarrist, immer wieder. Der Pianist hat sein T-Shirt verloren, und der Sänger erzählt, dass er jemandem versprochen habe, in dieser Nacht noch in einem Park zu spielen. Sie machen es einem wirklich leicht, die Hemmung zu verlieren. LAURA EWERT