berliner szenen Fade Witze, runde Hüte

Mein kleines Bildarchiv

Was würde ich ohne meine Frauenfitness von der Welt wissen? Rein gar nichts, scheint mir. Vor allem Multikulti bliebe ein mir unerschlossenes Gebiet. Woher sollte ich zum Beispiel wissen, dass sich meine verschleierten Mitbürgerinnen, kaum dass sie ihres Kopftuchs ledig sind und sich auf dem Laufband ins Zeug legen, köstlich über dreckige Witze amüsieren? „Wenn du ein Ball wärst, was für ein Ball möchtest du sein?“, fragt da Kaya Yanar in seiner „Was guckst du“-Show, die auf den Monitoren über unseren Köpfen läuft, um zu bekennen, dass er gerne ein Golfball wäre. „Da kann man überall einlochen.“ Ha, ha. Aber die Dame neben mir fand den großartig. Hat vielleicht doch seinen tieferen Sinn, dass sie im Alltag verschleiert ist? Okay, keine blöden Witze mehr. Der ist ja auch nicht gut. Und außerdem, wer weiß, vielleicht fängt Emanzipation ja mit dem Lachen über fade, aber dreckige Witze an?

Zurück zum Laufband. Sich hier zu vergnügen war am Freitag, der sich zur Abwechslung warm und sonnig gab, eine schweißtreibende Sache. Das konnte ich bei allen Frauen beobachten, nur für die Frau direkt neben mir schien das nicht zu gelten. Die bolivianische oder ecuadorianische Indiofrau trug, während sie auf dem Laufband ihr Pensum abarbeitete, tatsächlich den obligaten, kleinen, runden, schwarzen Filzhut! Ein fantastisches Bild, das ich sofort in meinen geheimen Bildarchiv gespeichert habe, das nur in meinem Kopf existiert. Es beinhaltet Bilder, die ich in der Realität, aber noch nie im Kino gesehen habe. Und noch nie in der Zeitung oder in der Kunst, gleichgültig ob Malerei, Fotografie, Installation oder Video. Es ist nur ein kleines Archiv. Aber jeder Eintrag ist ein Schatz.

BRIGITTE WERNEBURG