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Archiv-Artikel

Aufruhr im Eliteclub

WISSENSCHAFTSNACHWUCHS Max-Planck-Doktoranden sammeln Unterschriften für eine faire Behandlung. Ihre Institute heuern immer mehr Stipendiaten als billige Arbeitskräfte an

Exzellente Perspektiven gefordert

■ Antrag: Nach Grünen, Linken und SPD haben Freitagnacht auch die Regierungsfraktionen einen Antrag zu „Exzellenten Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ in den Bundestag eingebracht. Union und FDP fordern die Regierung auf, die Vertragsdauer von Nachwuchswissenschaftlern der Laufzeit der Projekte oder der Doktorarbeit anzupassen. Die Regierung soll außerdem für eine neue Professorenkategorie „werben“: den unbefristet eingestellten „Associate“-Professor.

■ Hintergrund: Über 80 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter arbeiten befristet, nicht einmal jeder zweite Vertrag läuft länger als ein Jahr. (ale)

VON ANNA LEHMANN

Wer an einem der 80 deutschen Max-Planck-Institute forscht, arbeitet im Dunstkreis der wissenschaftlichen Elite oder gehört selbst dazu. Das exzellente Selbstbild wackelt allerdings. Doktoranden der überwiegend aus Bundesmitteln geförderten Max-Planck-Gesellschaft haben dem Generalsekretär, Ludwig Kronthaler, in dieser Woche eine Petition mit 1.000 Unterschriften übergeben. Sie beklagen enorme Unterschiede bei Einkommen und sozialer Absicherung und fordern eine faire Behandlung aller Doktoranden.

Von den über 5.000 Doktoranden in der Max-Planck-Gesellschaft finanzieren sich rund 3.300 durch ein Stipendium, welches durchschnittlich 1.230 Euro beträgt. Im Gegensatz zu vertraglich angestellten Doktoranden, die etwa ähnlich verdienen, sind Stipendiaten nicht sozialversichert. Dafür sollen sie sich aber absolut weisungsunabhängig ihrer Doktorarbeit widmen.

Das Problem ist allerdings: Das sind nur Richtlinien der Gesellschaft, in der Realität herrscht jeder Max-Planck-Direktor, dem Credo der Wissenschaftsfreiheit folgend, weitgehend autark über sein Reich. Die Doktoranden berichten über gewaltige Unterschiede sowohl zwischen den Instituten als auch innerhalb eines Instituts.

„Bei uns haben alle unterschiedliche Konditionen, über den Vertrag oder die Höhe des Stipendiums entscheidet der Chef, wie er Lust hat“, berichtet ein Doktorand. Die Arbeitsbelastung wäre für alle jedoch gleich hoch, etwa 60 Stunden würden die Doktoranden wöchentlich für das Institut arbeiten, egal ob sie ein Stipendium oder einen Hausvertrag haben oder zu der Handvoll gehören, die nach Regeln für den öffentlichen Dienst bezahlt werden. Dass Stipendiaten weisungsfrei an ihrer Doktorarbeit schrieben, sei „absolut illusorisch“. Die Initiatoren der Petition fordern nun, ihren „vollen Einsatz für die Forschung“ auch angemessen zu vergüten, und zwar mit mindestens 65 Prozent einer Stelle im öffentlichen Dienst. Das entspreche etwa 2.000 Euro netto. Außerdem sollten Doktoranden frei zwischen Vertrag und Stipendium wählen können.

Bei der Max-Planck-Gesellschaft kann man sich den plötzlichen Aufruhr nicht erklären. Der Präsident der Gesellschaft Peter Gruss schrieb Anfang April im Tagesspiegel, dass es sich bei einer Promotion um „Lehrjahre im Labor“ handle. Deutschlands gesamte Begabtenförderung fuße auf Stipendien, Kritik an der Praxis der MPG tat er als Klage einzelner Stipendiaten ab.

Doch der Unmut der Nachwuchswissenschaftler schwelt schon länger: der Stipendiatenanteil stieg zwischen 2004 und 2009 von 40 auf 60 Prozent. Die MPG dagegen ist stolz darauf, die Zahl der Doktoranden in den letzten zehn Jahren verdoppelt zu haben, vor allem dank ausländischer Stipendiaten. „Es gibt nun mal nur ein bestimmtes Kontingent an Stellen, da unterscheidet sich die Max-Planck-Gesellschaft nicht von anderen Einrichtungen“, sagt MPG-Sprecherin Christina Beck.

Betroffen sind laut eines MPG-Mitarbeiters aber auch immer mehr promovierte Wissenschaftler. Ein gestandener Wissenschaftler mittleren Alters bekomme etwa 1.944 Euro brutto Stipendium pro Monat und damit die Hälfte dessen, was ihm oder ihr laut Tarifvertrag zustünde. „Stipendien werden genutzt, um Tarifverträge zu umgehen“, so sein Fazit.

Wie seine Kollegen möchte er anonym bleiben. Es sei einmalig, dass sich Doktoranden mit einer Petition vorwagten, im Allgemeinen lehne sich niemand aus dem Fenster, heißt es. Wer es tut, dem drohen Konsequenzen, denn die Institutsdirektoren sind nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Betreuer der Promotion. „Bei uns im Institut hat die Hexenjagd begonnen“, meint einer.