: Ohne Zaun kein Delikt
URTEIL Weil rund um das Mövenpick-Hotel kein Zaun gezogen wurde, ist das Betreten des Geländes kein Hausfriedensbruch, entschied das Landgericht
Wo kein Zaun, da kein Hausfriedensbruch. Das hat Folgen:
■ Auswirkungen könnte das Urteil auf Prozesse gegen AktivistInnen haben, die Verfahren wegen Hausfriedensbruch im Rahmen von Protestaktionen angehängt bekommen haben.
■ Folgewirkung kann das Urteil auch auf Verfahren wegen des Vorwurfs des Widerstands gegen VollstreckungsbeamtInnen haben: Wo kein Hausfriedensbruch vorlag, kann folgerichtig auch das Sträuben gegen das Vertriebenwerden vom Mövenpick-Gelände kein Widerstand sein.
Die Grünfläche um das Mövenpick-Hotel im Schanzenpark ist rechtlich kein „befriedetes Besitztum“. Das hat das Landgericht Hamburg am Donnerstag entschieden und damit die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Freispruchurteil des Amtsgericht verworfen. Damals war Jörg M., Aktivist vom Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks vom Vorwurf des Hausfriedensbruch freigesprochen worden. „Eine Randsteinkante als optische Markierung am Weg oder eine lückenhafte Heckenbepflanzung“ reiche als Abgrenzung nicht aus, sagte der Richter Georg Halbach. „Da muss Mövenpick schon einen Zaun oder eine Hecke um das Gelände ziehen.“
Die Staatsanwaltschaft hatte M. vorgeworfen, trotz Hausverbotes im Herbst 2007 bei einem Spaziergang mit seinen Hunden das Gelände zwei Mal betreten zu haben, um einen Stock oder Ball für die Hunde zu holen. Damit sei der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt.
Ein Schutzbereich kann jedoch nach einem Urteil des Reichsgerichtshof aus dem Jahr 1884 nur geltend gemacht werden, wenn der Bereich durch „Schutzwehren gegen das beliebige Betreten gesichert ist“, die „ein körperliches wirkenden Hindernis“ darstellen. Staatsanwältin Sabine Hantel-Maschke sagte hingegen in ihrem Plädoyer, dass der Reichsgerichtshof damit fernab von einem Haus gelegene Koppeln gemeint habe. Wenn eine Grünfläche jedoch an ein Haus heranreiche, sei es „für jedermann sichtbar“ dass die Grünfläche zum Haus gehöre und somit „befriedetes Besitztum“ sei – was nach ihrer Argumentation dann für den gesamten Schanzenpark gelten würde.
Die Verteidiger Ingrid Witte-Rhode und Andreas Beuth hatten hingegen argumentiert, die Randsteinkante, die sich im Übrigen auf beiden Seiten des Rundweges um das Wasserturm-Hotel befindet, grenzten nur die Rasenflächen vom Sandweg ab. „Wir wollen natürlich auch nicht; dass alles eingezäunt und einbetoniert wird“, sagte Richter Halbach. Wenn eine Grünfläche deutlich als Vorgarten zu erkennen sei, wäre es schon als „befriedetes Besitztum“ anzusehen, das sei aber bei einem Hotel nicht der Fall, das gerade mit „Offenheit“ werben würde. Die Steinkante vor dem Mövenpick-Hotel, so Halbach, „hat höchstens symbolische und psychologische Bedeutung“.
Staatsanwältin Hantel-Maschke von der politischen Abteilung machte kein Hehl daraus, dass wegen der Bedeutung des Urteils Revision vor dem Oberlandesgericht eingelegt wird. KAI VON APPEN