: Sankt Florian von Krümmel
Geesthachts Bürgermeister verteidigt das örtliche Atomkraftwerk: Schließlich sichert es Arbeitsplätze. Ungern sieht er indes, dass dort nun auch abgebrannte Brennelemente zwischengelagert werden
von Yvonne Smidt
Das kleine Geesthacht im Südosten von Hamburg präsentiert sich auf seiner Homepage im Internet als idyllisches und fortschrittliches Elbestädtchen. Dort haben schon Leute wie Alfred Nobel gewirkt. Auch nicht ganz unbekannt ist das Atomkraftwerk Krümmel. Nach dem sucht man auf der Werbe-Homepage allerdings vergeblich.
Klar, so ein Atommeiler ist eben kein Zugpferd für den Tourismus. Wohl aber für die Wirtschaft, wie der parteilose Bürgermeister Ingo Fokken betont: „Das Atomkraftwerk Krümmel ist ein wichtiger Arbeitgeber für die Stadt und die Region.“ 320 Mitarbeiter sind nach Auskunft der Hamburgischen Elektricitäts-Werke AG (künftig Vattenfall) im Kernkraftwerk Krümmel beschäftigt. Daher möchten Fokken und die Geesthacher Ratsversammlung gerne am AKW festhalten und dessen Laufzeit verlängern.
Doch wo gehobelt wird, da fallen Späne. In diesem Fall in Form von abgebrannten Brennstäben. Diese wurden wegen des Störfalls in der Wiederaufarbeitungsanlage in der englischen Stadt Sellafield zuletzt nicht mehr abtransportiert und werden es auch zukünftig nicht mehr. Denn die Bundesregierung untersagt ab Juli per Gesetz weitere Atomtransporte zwecks Wiederaufbereitung. Der Atommüll verbleibt demzufolge in Geesthacht.
Dafür hat Vattenfall Europe Nuclear Energy ein neues Zwischenlager in Krümmel gebaut. Genau das ist dem Geesthacher Stadtoberhaupt und der Ratsversammlung ein Dorn im Auge: „Zwischenlager an sich sind unnütz und eine unwirksame Krücke in der gesamten Atommüllpolitik“, zürnt Ingo Fokken. Man wolle keine „unnötigen Belastungen“ durch ein Zwischenlager, obwohl davon natürlich „nachgewiesenermaßen keine direkte Gefahr“ ausgehe, so der Bürgermeister.
Im neuen Geesthacher Zwischenlager können 80 Castor-Behälter bis zu 40 Jahren zwischengelagert werden. Was man brauche, seien Endlager, findet Fokken. Ein Endlager in seiner Stadt schließt er aber ebenfalls kategorisch aus: „Diese Frage erübrigt sich, weil sich der Standort nicht als Endlager eignet.“
Also kurzum: Atomenergie ja, Atommüll im Prinzip nein, aber wenn er sich schon als unvermeidlich erweist, dann bitte nicht in Geesthacht. Eine Logik, die sich nicht jedem erschließt, der nicht an Sankt Florian glaubt. Denn mit der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, wie Ingo Fokken sie für Krümmel fordert, dürfte der radioaktive Abfall wohl nicht weniger werden.
Der Atommeiler Krümmel hatte schon in den 90ern Schlagzeilen gemacht. Es ging um einen statistisch auffälligen Anstieg von Leukämie- und Hirntumorerkrankungen in der Region um Geesthacht, der mit dem Atomkraftwerk in Verbindung gebracht wurde. Für Aufsehen hatte in diesem Zusammenhang gesorgt, dass der Verein Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg 2001 Strafanzeige gegen den Betreiber erstattete. Sie führte jedoch nicht zu Ermittlungen.