KROATIEN: KRIEGSVERBRECHER ALS MODERNISIERUNGSHINDERNIS : Schnell schließt sich das Fenster zur EU
Schon vor den Volksentscheiden in Frankreich und den Niederlanden hatte sich die Lage für die nächsten EU-Beitrittskandidaten verschlechtert. Doch jetzt wird es wirklich kritisch. Angesichts des denkbaren Machtwechsels in Berlin, des öffentlichen Drucks in Frankreich auf Chirac und der noch kommenden Referenden fürchten sie zu Recht, für populistische Debatten herhalten zu müssen.
Das Votum der EU-Kommission gegen Kroatien jedenfalls muss auch in Bulgarien und Rumänien aufhorchen lassen. Dort ist die EU zwar schon Verpflichtungen eingegangen, so einfach lässt sich der Prozess nicht zurückschrauben. Da Bulgarien die Roadmap abgearbeitet und damit schon alle Verpflichtungen erfüllt hat, müsste schon ein genereller Aufnahmestopp ausgesprochen werden, um den Eintritt dieses Landes zum Termin 2007 noch zu verhindern. Doch denkbar ist ja jetzt bald alles. Im Falle Rumäniens scheint sich eine Fristverlängerung anzubahnen.
Für Kroatien allerdings gibt es nicht mehr viel Hoffnung. Indem die EU den Start der Beitrittsverhandlungen mit der Auslieferung des Exgenerals Ante Gotovina nach Den Haag verbunden hat, bekommt Zagreb kaum eine Chance mehr, die Kriterien noch zu erfüllen. Dabei ist der Verdacht, es ginge gar nicht um den vom UN-Tribunal gesuchten Angeklagten, längst erhärtet. Die Briten und auch andere Regierungen wollen insgeheim lieber auf Serbien warten und dann die Exjugoslawen im Paket in die EU führen.
Doch selbst diese Perspektive steht in Frage. Da nämlich nun die EU-Konservativen vom einstigen katholischen Hätschelkind abzurücken scheinen, wird es wirklich kritisch für all jene demokratischen Kräfte in Kroatien, die nur deshalb die Nationalisten überflügelten, weil sie der Bevölkerung den Betritt zur EU versprochen haben.
Bisher waren die Demokratisierung und die Friedenspolitik auf dem Balkan verknüpft mit der EU-Perspektive. Fällt das weg, werden sich die alten Kräfte Exjugoslawiens wieder regen. Und mit denen ist Europa erst recht nicht zu machen.
ERICH RATHFELDER