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Archiv-Artikel

Rückkehr einer Marke

Rudi-Marek Dutschke, Sohn der linken Ikone, will für die Grünen in den Bundestag. Nun muss er die Delegierten davon überzeugen, dass hinter dem berühmten Namen auch ein Programm steckt

VON SUSANNE LANG

Perfekt!, werden sie gesagt haben, so ziehen wir es auf, noch einen Joint darauf geraucht: „Offenbarkonzept“ … Genial!

Marek präsentiert sich im Tacheles, im Alternativkünstlerhaus, zwischen all den Berlin-Mitte-Schicks. Sie – das sind Marek Dutschkes Unterstützer, seine Spindoktoren, seine Freunde. Der Zirkel um den neuen Jungstar der Politik, eine Boygroup. Allesamt Noch- oder Nichtmehrstudenten aus der medial gerade durchgenudelten „Generation Praktikant“, die ja gelernt hat, dass in der Krise was geht – auch wenn keiner weiß, was genau.

„Transparenz“, das weiß Marek Dutschke, die will er zu seinem politischen Thema machen, deshalb nennt sich seine Wahlkampfauftaktveranstaltung „Offenbarkonzept“: Er offenbart sich erstmals, in der offenen Bar des Kunsthauses. Perfekt.

Das Tacheles, eine passende Kulisse, werden die Medien selbstverständlich multiplizieren: Marek Dutschke, der für den Berliner Landeslistenplatz 2 der Grünen kandidiert, ist anders, unverbraucht, alternativ, links irgendwie, und er hat einen Namen, eine Geschichte, er ist als Sohn eine prima Folie von und für Rudi Dutschke. Der kostbare Name ist sein brand. Und damit ist er zunächst Pop, nicht Politik.

Aber diese Folie kann jederzeit bespielt werden, inhaltlich. Von ihm selbst und von all den anderen, die so gerne etwas Neues, Großes, Anderes in ihm sehen möchten, gespeist von jener diffusen Sehnsucht nach jungen Revolutionären, die doch ausschwärmen könnten, um in Villen der Achtundsechziger Möbel zu verrücken und Post-it-Botschaften zu hinterlassen: Die fetten Jahre sind ja vorbei.

Und so stilisiert der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe den 25-jährigen Sohn Dutschkes, der sehr perfekt genau das Alter hat, in dem Vater Dutschke 1965 seinen Kampf begann, sogar zur Speerspitze einer neuen linken Bewegung innerhalb der grünen Partei. Zitiert sogar die andere Celebrity der linken Grünen, Hans-Christian Ströbele, der „ausgerechnet“ dem jungen Dutschke „frischen Revoluzzergeist“ zuspricht. Mitarbeiter von Ströbele wollen sich im Tacheles nicht ganz so weit vorwagen. Sie verweisen auf die sehr amerikanisierte Sicht des jungen Dutschke, der in den USA aufgewachsen ist und studiert hat, der holzschnittartig von der Linken in Deutschland spreche, die freilich sehr diffus sei. Glauben wohl nicht so recht an die neue Dutschke-Linke in der Partei? Noch nicht!

„Naja“, sagt Marek Dutschke, nachdem er seine Inaugurationsrede vor vielen Medienmenschen und wenigen Grünen-Dutschke-Sympathisanten gehalten hatte – deren Revoluzzergeist abgestimmt scheint auf den Muff zwischen den Trödelsesseln im Tacheles: Mehr als spärlicher Beifall wäre gewiss uncool. „Naja,“ sagt Dutschke, nachdem er mit einem festen Händedruck und einem sehr präsenten Lächeln „Hallo“ gesagt hat, „ich muss noch besser werden, ich bin eben noch kein Profi.“

Irritierend gut beherrscht Dutschke, so viel ist schnell klar an diesem Abend, diese lächelnde Offenheit, die so gerne als typisch amerikanisch beschrieben wird, die einnehmend ist, ohne festzuhalten, die einen Satz wie „Ich bin optimistisch“ durchgehen lässt, weil er wenigstens mit der Ausstrahlung korrespondiert. Aber Marek Dutschke spricht von seiner Rhetorik, will besser darin werden, sein Programm an die Leute zu bringen. Schließlich will er sie ja mitnehmen, die Wähler, aber zunächst die Delegierten, die am 19. Juni über die Vergabe der Listenplätze zu entscheiden haben.

Er will ja überzeugen, von sich und davon, dass die Grünen wieder in die Opposition müssen, dass die Regierungskrise eine echte Chance ist, dass Bildung wichtig ist wie auch Europa, selbstverständlich – schließlich hat er ja gerade sein Praktikum in Brüssel bei den Grünen abgebrochen wegen der Neuwahlen in Deutschland. Schließlich will er „Verantwortung übernehmen“, wie er sich preist, und nicht wie Kanzler Gerhard Schröder es mache, sich ihr zu entziehen.

„So knacken wir die Partei“, heißt konsequenterweise eine der Parolen des ersten Dutschke-Wahlkampfabends. „Back to the roots“ ist der Slogan dazu; später am Abend wird ihn einer der Boygroupies in die Runde brainstormen. „So kriegen wir die Stimmen der Delegierten, so kommen wir auf Listenplatz 2“, wird er sagen und darauf einen, klar, Joint rauchen.

Sich besinnen auf die Anfangszeit, das heißt nicht anderes als die große Dutschke-Klammer schließen, vom Vater zum Sohn, von der Revolution zur Opposition. Dieser Reklamedreh, er funktioniert ziemlich perfekt.