: Als die Frauen Schwänze trugen
FREAKSHOW Wie ein endloser Trip: „Bar25 – Tage außerhalb der Zeit“ von Britta Mischer und Nana Yuriko ist der Dokumentarfilm zum Open-Air-Club
Wahrscheinlich heißt es später verklärt: Wer sich an einen Abend in der Bar25 erinnern kann, war nicht dabei. Dabei konnte man durchaus auch nüchtern am Tag auf den Sofas herumlungern oder von der Erwachsenenschaukel auf die Spree spucken: Der Dokumentarfilm „Bar25 – Tage außerhalb der Zeit“ versucht, eines der farbenfrohesten Clubphänomene jüngerer Zeit angemessen zu portraitieren.
Hilfreich ist dabei, dass beide Filmemacherinnen der Open-Air-Bar an der Holzmarktstraße von Anfang an verbunden waren. Teilweise halfen sie damals, 2004, eigenhändig beim Abroden der Bäume für das persönliche Fantasia, später standen sie auch hinter der Theke, die kleine Digi-Cam im Anschlag. Die Bilder in Britta Mischer und Nana Yurikos Film sind eine Zeitreise in die zuweilen angenehm unfertigen letzten zehn Jahre, in der das Wort Gentrifizierung noch nicht in allen Wortschätzen zu finden war (auch wenn man sich mit Galerien, Bars und Ideen längst im Ostteil der Stadt breitgemacht hatte).
Die Clique, die wie eine moderne Merry-Prankster-Version von Ken Kesey ihre Bar als Zufluchtsort für ExzentrikerInnen jeglicher Couleur betrieb, ist eine vital-funktionale, zusammengewürfelte Familie, die ausdrücklich in der Gegenwart lebt. Viel Informatives erfährt man in Mischers und Yurikos Werk nicht über die persönlichen, familiären oder fachlichen Hintergründe der MacherInnen, die das 16.000-Quadratmeter-Paradies am Spreeufer Bauwagen für Bauwagen mit Leben und Fantasie füllten. Nur, dass die vier GründerInnen einen Platz erschaffen wollten, an dem jeder alles sein kann und darf, an dem Regeln des „Draußens“ nicht gelten.
Doch man kommt schnell zu dem Schluss, dass es ganz gut ist, weitgehend auf dokumentartypische Hintergründlichkeit verzichtet zu haben: So erscheint der Film mit seinen beeindruckend psychedelischen Bildern, die direkt aus den Partyzentren zu stammen scheinen (die Regisseurinnen hatten Kamera und Operatoren stets mit verkleidet, um dem Partyvolk nicht die Stimmung zu verderben), wie ein endloser Trip, den man mit oder ohne LSD genießen kann.
Und so abendfüllend ist der leicht naive „Draußen alle spießig, hier alle freakig“-Tenor der Bar-Betreiber-O-Töne ohnehin nicht. Stattdessen kann man sich den Bildern widmen, die in kleine Kapitel aufgeteilt wurden, unterbrochen von märchenhaften Zeichnungen, untermalt von der für die Bar so wichtigen elektronischen Musik.
Bunte Papierchen
Man schlittert an den Anfängen vorbei, feiert, schluckt bunte Papierchen, bekommt am Rande die seit Jahren schwelenden Konflikte um Pacht und Mietvertrag mit, bis schließlich in letzter Instanz 2010 die Kündigung durchkam. Und natürlich noch mal eine dieser tagelangen Partys stattfand, bei denen auf jede Elfe zwei Discoteufel kamen und der Hedonismus im Künstlerkostüm mitravte.
Am Ende haben die Filmemacherinnen sogar das Wetter manipuliert: Der Regen fällt erst, als der Traum aus ist. Dass die Business-Hippies ihn inzwischen gegenüber im Kater Holzig weiterträumen, ist vielleicht Thema für den nächsten Film. JENNI ZYLKA
■ „Bar25 –Tage außerhalb der Zeit“, Regie: Britta Mischer, Nana Yuriko, 95 min., ab heute im Kino