: Theater und Wissenschaft
Zum Abschluss von „Wieso Weshalb Warum“ gastierte die Frankfurter Küche auf Kampnagel
Hände flattern, immer schneller, immer heftiger, bis die Konturen verschwimmen und das Knacken von Knorpel und Gelenken zu hören ist. Im Film landen Tauben auf dem Markusplatz, schlagen hektisch mit den Flügeln, schieben sich immer dichter in die Unschärfe des Kamerablicks hinein. Welche Bewegung steht hier wofür? Es geht um Repräsentation, um Spiegelung des einen im anderen, um Assoziationen und Schaffung von Bedeutungsebenen, und um deren Verschiebung und Schizophrenie. Vor allem aber geht es darum, wie der Tanz Sinn schafft.
Zum Abschluss der Themenreihe „Wieso Weshalb Warum – Theater und Wissenschaft“ gastierte die Formation Frankfurter Küche mit ihrer Performance „inexhaustible (RW)“ auf Kampnagel. Ein wahres Lehrstück ist dem nach ihrer Gründung von Frankfurt nach Leipzig übergesiedelten Künstlerzwilling deufert + plischke, wie sich die Autorin Kattrin Deufert und der Choreograf Tom Plischke präsentieren, 2001 gelungen. Ein Stück, das all jene Gedanken aufwirft, die der Tanz sich macht, seit er sich konzeptuell mit den eigenen Mitteln auseinander setzt, sich selbst in Frage stellt und nicht mehr allein in reiner Intuition einer inneren Bewegtheit folgt oder auf eine festgeschriebene Technik baut.
Ausgangspunkt war für die beiden die Auseinandersetzung mit Antonin Artauds Idee von der gleichzeitigen Erschöpfung und Unerschöpflichkeit von Theater. Texte über pathologische Schizophrenie veranlassten sie mit der Inkohärenz von Denken, Handeln und Affekt zu experimentieren bis die Elemente von Bewegung, Klang, Sprache, Bild ein Eigenleben entfalten.
Die Bühne gestaltet sich als langer enger Schlauch, an dessen Längsseiten das Publikum sich gegenübersitzt, über den Köpfen jeweils eine große Leinwand. Dazwischen agieren die beiden Darsteller, nehmen ab und an auch in den Sitzreihen Platz. Deufert redet in monotonem Rhythmus, in Wiederholungen und Schleifen entwickelt ihre Sprache Melodie. Plischke führt weitgehend mechanisch seine Bewegungen aus, selten steigert er das Tempo einer Geste bis in dynamische Extreme. Das Flattern der Tauben von wechselndem Vor- und Rückwärtslauf des Films wird dagegen immer heftiger. Ohrenbetäubender Lärm gesellt sich hinzu.
Der Reiz der Gegensätze wird hier kunstvoll ausgelotet, wenn Plischke in die Stille hinein eine Linie Sand streut und sein Tanz anschließend verwehte Spuren hinterlässt. Marga Wolff