Der Retroclub aus Lankwitz

Team der Woche: Der BFC Preussen Berlin kehrt zurück in die Fußball-Oberliga. Vor über 100 Jahren setzte der Traditionsverein Maßstäbe mit englischen Kurzpassspiel

Die Zeit war lang und beschwerlich, bis der Preussen-Adler wieder Aufwind unter die mächtigen Flügel bekam. Jetzt ist er in der Fußball-Oberliga gelandet. „Diesmal wollen wir unsere Chance nutzen, nachdem uns zwei Jahre hintereinander die Puste ausgegangen ist“, sagt Reinhard Mantz, Abteilungsleiter Fußball des Traditionsclubs aus Lankwitz.

Mit seinem anachronistisch anmutenden Wappentier, dem gar nicht handzahm dreinblickenden Adler aus der Kaiserzeit, wirkt Berlins Amateur-Champion wie ein Dinosaurier auf dem Funsportplatz. Der BFC ist eine Art Retroclub aus verschiedenen Epochen. Es lebt in Deutschland kein Ältestenrat mehr, der von Preussens einstigem Glanz und Gloria aus eigenem Erleben berichten könnte. Gegründet 1894, als die Berliner Fußballpioniere im Kickerghetto auf dem Tempelhofer Feld dem Ball nachjagten, sorgten die Adler-Träger rasch für Furore. Die Weiß-Schwarzen lösten die scheinbar unschlagbare Viktoria 89 aus Tempelhof kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts als märkischen Champion ab, indem sie das Flach- und Kurzpassspiel der Engländer importierten.

Bald danach stellte dem Club ein Brite namens Pitcairn Knowles am Ku’damm seinen „Athletik-Sportplatz“ zur Verfügung – mit Tribüne und Tornetzen, damals eine revolutionäre Errungenschaft. Am 19. Mai 1901 trennten sich dort der renommierte Deutsche Fußball-Club Prag und Preußens Preussen in aller Freundschaft 2:2.

Später machte ein Preussen-Mitglied Karriere: Felix Linnemann amtierte von 1925 bis 1945 als vierter Präsident des DFB. Neue Forschungsergebnisse belegen, dass „Papa Gnädig“ den genialischen Doppelpass mit den Nazis weitaus besser beherrschte, als dem mächtigen Verband heute lieb ist. In der Preussen-Vereinschronik wird nicht näher darauf eingegangen.

Vielleicht ist die Recherche über Linnemann nicht bis in die Malteser Straße vorgedrungen, wo der BFC heute sein Zuhause hat. Das Gelände ist noch immer im Besitz des Clubs, aber man merkt ihm an, dass der große Fußball lange Zeit einen Bogen darum gemacht hat. In den 1980er-Jahren, in der Westberliner Stadtliga, zählten die Lankwitzer noch zu den Größten. Aber nach dem Mauerfall stürzte der Preussen-Adler bis in die fünftklassige Landesliga.

„Von Tradition kann man sich nichts kaufen“, sagt Abteilungsleiter Manz. Ihn freut, dass seine Etatplanung für die neue Saison durch die Zuschauermagneten Union, Dynamo oder Babelsberg erleichtert wird. Trainer Mehmet Öztürk hingegen plagen Sorgen: „Es wird schwer, die Oberliga zu halten. Mit zweimal Training pro Woche wie in der Verbandsliga klappt das nicht.“ Vier Übungseinheiten, fordert der hauptberufliche Tankstellenpächter, sollten es schon sein. Da kommt sein Torhüter Roman Görtz ins Schwitzen. Der 31-Jährige befasst sich auch zum Broterwerb mit einer Kugel – als Croupier in der Potsdamer Spielbank.

JÜRGEN SCHULZ