: Hypnotische Kreisbahnen
NEO-KRAUTROCK In sehnsuchtsvoll unwirklichen Wellen hinauf zu den Sternen: Das Düsseldorfer Trio Stabil Elite hat mit „Douze Pouze“ ein ganz erstaunliches Debütalbum vorgelegt – abgeklärt elegant und voller sachlicher Schönheit, die derzeit ihresgleichen sucht
VON MICHAEL SAAGER
Sie heißen Von Spar, MIT oder Zirkon und bespielen, wenn man so will, ihre eigene, mittelkleine Nische. Seit ein paar Jahren bereichern diverse Neo-Krautbands die hiesige Musiklandschaft und eine der talentiertesten hat vor kurzem ihren ersten Longplayer veröffentlicht. Eine ganz erstaunliche Platte: „Douze Pouze“ des jungen Düsseldorfer Trios Stabil Elite ist von einer abgeklärten Eleganz und sachlichen Schönheit, die ihresgleichen sucht – und gegenwärtig doch nirgendwo finden kann.
Fast möchte man ein bisschen nostalgisch werden. Denn wer sie kennt, die guten alten Krautrock- und Krautelektronikbands Can, Neu!, Harmonia, Cluster, Kraftwerk oder La Düsseldorf, dem sind sicher die hypnotischen Kreisbahnen aufgefallen, auf denen sich viele ihrer groovestarken Krauthymnen bewegen. Tatsächlich kriegen Stabil Elite das genauso gut hin. Oder sogar besser.
Im Gegensatz zu den esoterisch verblasenen Entgrenzungsopern manch anderer Kraut- Protagonisten – man denke an Ash Ra Temple oder The Cosmic Jokers – begrenzten die Bandmitglieder der „besseren“ Krautbands der 70er Jahre das kosmische Chaos aus säuseligem Pathos, triefendem Kitsch und sonstigem ornamentalem Beiwerk, so weit es der Zeitgeist eben zuließ.
Gleichwohl bewegen sich viele ihrer Stücke in Wellen, Schwingungen und Rhythmen just hinauf zu den Sternen; die emotionalen Lagen der Musik wechseln dabei von Fernweh mit einer Extraportion Selbstentfremdung zu einer weltverlorenen Distanziertheit, die besser zu melancholischen Robotern und Cyborgs passt als zu uns Menschen. Dass dieser durchaus süchtig machende, mitunter retro-futuristische Sound der 70er einmal auf große Ohren im Electro, Techno, Indierock oder Indiepop stoßen sollte, ist sicher nicht das größte Mirakel des Pop.
Womit wir wieder bei unseren Neo-Krautbands wären. Deren verstärktes Auftauchen in den letzten Jahren passt schließlich ganz gut in eine Pop-Gegenwart, die ihren emotionalen Mehrwert, ihre Intensitäten nicht zuletzt aus allerlei bewusstseinserweiternden Sounds der Überwältigung (wuchtig wabernde Flächen, Indianermädchen-Chöre, gespenstische, zerhackte Loops) zu gewinnen sucht. Neo-Kraut, wie er idealtypisch von Stabil Elite gespielt wird, sucht ebenfalls das Weite. Allerdings geht es bei den Düsseldorfern ein bisschen diskreter zu.
Wenn Lucas Croon, Martin Sonnensberger und Nikolai Szymanski keine mantraartigen Minichor-Gesänge anstimmen, was ohnehin sehr selten vorkommt, singen sie mit weltdistanziertem, merkwürdig zärtlichem Timbre seltsam-schöne Sätze, formen surreale Metaphern und sorgen so dafür, dass die an sich schon ziemlich überirdischen, sich wie abstrakte Bilder überlagernden Synthieloopsounds, die sanft wummernden Schwebebässe, die kristalline oder hölzerne Perkussion, das Zwitschern und Pluckern in höheren und mittleren Lagen ganz und gar ortlos erscheinen.
Es sind wie „Expo“, „Milchstraße“, „Revue 12“ oder „Endecomputer“ immer filigrane Songs mit anspielungsreichen Titeln. So sehnsuchtsvoll unwirklich wie manch frühes Stück von Kraftwerk, versehen mit einer assoziativen Poesie der überraschenden Brüche: „Stahlträger / Zwischen dem Verlangen / Stützen das Grau / Wie siehst du aus?“
■ Fr, 11. 5., 20 Uhr, Clouds Hill Studios, Billwerder Neuer Deich 72