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Archiv-Artikel

Der Bundestag blüht auf

Berlin schickt seine Hoffnungsträger in das höchste deutsche Parlament: altgediente Recken, die schier nichts mehr schocken kann. Die Herren hoffen vor allem auf einen zweiten – manche gar auf einen dritten – Frühling. Nicht für alle wird sich dieser Wunsch erfüllen. Zum Glück für diese Stadt

der ewige regierende

Eberhard Diepgen

Derzeitige Funktion: Pate des chinesischen Panda-Weibchens Yan-Yan im Zoologischen Garten, Ehrenvorsitzender der Berliner CDU

Alter: 63

Zuletzt in Erscheinung getreten als: kleinster gemeinsamer Nenner der chronisch zerstrittenen Hauptstadt-Union

Größte politische Leistung: Diepgen war zwar schier ewig Regierender Bürgermeister, und zwar zwischen 1981 und 2001. Doch dummerweise war ausgerechnet in den Wendezeiten 1989 bis 1991 SPD-Mann Walter Momper am Ruder. Diepgen hat so der Nachwelt erspart, von ihm als „Regierendem der Einheit“ reden zu müssen

Sucht seine Chance in: Neukölln

Chancen: gut MLO/FOTO: AP

der rücktreter

Gregor Gysi

Derzeitige Funktion: Dauergast bei Sabine Christiansen

Alter: 57

Zuletzt in Erscheinung getreten als: Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Machte sich bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Amt

Größte politische Leistung: Führte die SED in die Nachfolgepartei PDS und gab ihr sein Gesicht. Hat es dafür mit einem handsignierten Foto neben Joschka Fischers Turnschuhe ins Deutsche Historische Museum gebracht. Jüngste Leistung: Abbildung einer Computertomografie seines Schädels in Lafontaines Leib- und Magenblatt Bild. Schlagzeile: „Gysi zeigt sein Gehirn“

Sucht seine Chance in: Treptow-Köpenick

Chancen: überschätzt

WERA/FOTO: AP

die grausame eminenz

Detlef Dzembritzki

Derzeitige Funktion: Mitglied im Chevalier de la Légion d’Honneur und im Deutschen Bundestag

Alter: 62

Zuletzt in Erscheinung getreten als: blasser Landesvorsitzender der SPD beim Wahlsieg von Gerhard Schröder 1998. Anstatt nach Helmut Kohl auch Eberhard Diepgen in den Hintern zu treten, setzte der graue Ritter ohne Mut und Tadel auf Burgfrieden: „Die SPD muss in der Koalition mit der CDU gute Arbeit leisten.“

Größte politische Leistung: Wehrte sich erfolgreich, den Landesvorsitz bereits bei seinem Einzug in den Bundestag 1998 an Peter Strieder abzugeben

Sucht seine Chance in: Reinickendorf

Chancen: schlecht WERA/FOTO: ARCHIVDer Staatssekretär

der parlierer

Christoph Stölzl

Derzeitige Funktion: TV-Moderator der RBB-Sendung „Im Palais“. Im Nebenberuf Vizepräsident des Abgeordnetenhauses

Alter: 61

Zuletzt in Erscheinung getreten als: Machtarmer CDU-Vorsitzender von 2002 bis 2003. Schaffte es dennoch, hinterher noch ein Lächeln über die Lippen zu bekommen

Größte politische Leistung: In seinem Jahr als Kultursenator bis 2001 richtete er zumindest keinen großen Schaden an

Sucht seine Chance in: Pankow

Chancen: Schlecht. Muss erst parteiintern gegen Mandatsinhaber Günter Nooke gewinnen. Träte dann gegen Wolfgang Thierse (SPD) und Stefan Liebich (PDS) an MLO/FOTO: AP

der staatssekretär

Ditmar Staffelt

Derzeitige Funktion: Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium

Alter: 55, davon drei Jahre als parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium

Zuletzt in Erscheinung getreten als: Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium

Größte politische Leistung: Kein Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium. Das hätte Getuschel gegeben, schließlich empfand Staffelt nicht nur die Liebe zur SPD, sondern auch zu Renate Künast. Damit war Staffelt ein Wegbereiter der rot-grünen Koalition.

Sucht seine Chance in: Neukölln

Chancen: als Staatssekretär unter Friedrich Merz? Keine.

WERA/FOTO: ARCHIV

der landesfürst

Wolfgang Wieland

Derzeitige Funktion: Politrentner

Alter: 57

Zuletzt in Erscheinung getreten als: Erfolgloser Spitzenkandidat für die Brandenburger Grünen. „Gegen Schönbohm“ war zu wenig im märkischen Wahlkampf

Größte politische Leistung: Ein Sommer lang Justizsenator im rot-grünen Übergangssenat. Markenzeichen: Rutscht bei Parlamentssitzungen immer tiefer in den Senatorensessel. Zuvor bester Redner im Abgeordnetenhaus. Nur haben ihn seine langjährigen Weggefährten bei den Grünen nicht mehr gehört. Sie waren längst in die Bundesregierung oder die EU-Kommission entschwunden

Sucht seine Chance in: einer Kampfkandidatur gegen Marek Dutschke und Werner Schulz

Chancen: wenn oldschool in ist, gut WERA/FOTO: ARCHIV

der ewig alte

Frank Steffel

Derzeitige Funktion: Präsident des Turn- und Sportvereins von 1891 Reinickendorfer Füchse e. V. Soll auch schon mal im Plenum des Abgeordnetenhauses gesehen worden sein. Saß aber nie in der ersten Reihe

Alter: Laut Pass 39, sah aber schon als CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl 2001 sehr alt aus. Damals verlor die CDU 17 Prozentpunkte

Zuletzt in Erscheinung getreten als:

Größte politische Leistung: Die Antwort auf Michel Friedmans Frage „Was ist eigentlich ein Rassist?“. Steffel: „Das ist eine schwierige Frage. Vor allem, wenn man sie pauschal verantworten, äh beantworten soll.“ Zeitlos schön

Sucht seine Chance in: Reinickendorf

Chancen: gut MLO/FOTO: AP